Die Angst des wei�en Mannes
der »kaukasischen Rasse« an gehören, widerspruchslos hinnimmt, daß sie sich durch die beherr schende Position der saudischen Dynastie auf dem Petroleummarkt erpressen und erniedrigen läßt. Ich habe bei meinen Besuchen in Jeddah oder Riad niemals eine Bibel mitgeführt. Dafür fand ich als Gabe des Hotels auf meinem Nachttisch eine Ausgabe des »Pro tokolls der Weisen von Zion«.
Die indonesischen Muslime stellen die zahlreichste Gruppe von »Hadji«, die jährlich die Reise zur Heiligen Kaaba in Mekka antre ten. Ähnlich verhält es sich mit den christlichen Filipinos, die in hellen Scharen am Karfreitag nach Jerusalem pilgern, schwere Holzkreuze schultern, ihre Litaneien anstimmen, um den Leidens weg Christi nachzuvollziehen. Mir ist auf der Via Dolorosa auf gefallen, daß sich auch kompakte Gruppen von Indianern aus den Andenstaaten in die Prozession einreihten. An ihrer Hautfarbe und frommen Gestik konnte ich sie von ihren ostasiatischen Glaubens brüdern kaum unterscheiden. Sollte das Christentum, das im Abendland einem schier unaufhaltsamen Erosionsprozeß ausge setzt ist, in Zukunft sein Schwergewicht und seine Überlebenshoff nungen auf jene exotischen, farbigen Völker verlagern, die noch stark im Glauben sind?
DerStaatskapitalismus als Lösun g
Auf den Philippinen hat der weiße Mann seine Chance verspielt, in Manila, am Rande der asiatischen Kontinentalmasse, ein vorbild liches Staatswesen ins Leben zu rufen und – gestützt auf die christ lichen Gebote der Caritas und eine Variante des »American dream« – allen anderen Staaten dieser Region ein Vorbild sozialer Gerechtigkeit, wirtschaftlicher Dynamik und freiheitlicher Entfal tung vorzuführen.
Statt dessen behaupten sich in Manila eine Pseudo-Demokratie, bodenlose Korruption und ein Zustand krassester gesellschaftlicher Verwerfungen. So muß der Westen tatenlos und erschrocken zuse hen, wie sich die Erneuerung, die technische Entwicklung, ein Sy stem sozialen Ausgleichs und des zunehmenden Wohlstandes der Gesamtbevölkerung in Staaten vollzieht, die das Heil ihrer Bürger in einer strengen, autoritären Auslegung des Konfuzianismus fin den, wie das anfänglich unter dem wohlwollenden Despoten Lee Kwan Yew in Singapur, aber auch in Taiwan und in Südkorea ge schah.
Der gewaltige Umbruch jedoch, der die Welt erbeben läßt, wie Napoleon es auf Sankt Helena voraussagte, vollzog sich in China. Nach dem Abflauen, ja dem Scheitern des Maoismus, der immer hin das Prinzip menschlicher Solidarität mit seiner Maxime »Dem Volke dienen« angemahnt hatte, kam dort eine originelle Formel für gigantisches industrielles Wachstum, für Entwicklung von High Technology und sensationelle Anhebung des Lebensstandards zum Zuge, die sich auf einen seltsamen Synkretismus stützt. Unter der Autorität der Kommunistischen Einheitspartei und einer straffen Form des Staatskapitalismus entfesselte sich die wissenschaftliche und vor allem merkantile Begabung der Han-Rasse.
In der Lehre einer utopischen Harmonie, die das Politbüro von Peking der parlamentarischen »Streitkultur« des Westens entgegensetzt, finden sich Konfuzius, Mao Zedong und jener erste legendäre Kaiser Qin Xi Huangdi wieder. Dessen Reichsgründung zwei hundertJahre vor Christus erlaubt es heute der offiziellen Propaganda, die verblaßte Doktrin des Marxismus-Leninismus durch einen ehrgeizigen, alle Normen sprengenden Nationalismus zu ersetzen.
Das chinesische Modell hat in dem wiedervereinigten, in kom munistischer Ideologie erstarrten Vietnam Nachahmung gefunden. Noch steht die gigantische Leninstatue vor der Zitadelle von Ha noi, aber die kommunistische Lao-Dong-Partei ist geschmeidig ge worden unter einem Generalsekretär, der sich diskret, aber effizient mit seinen Reformen vortastet. An Peking gemessen, wurde Tokio inzwischen in den zweiten Rang verwiesen.
Die japanischen Samurai, die 1941 ausgezogen waren, die »große ostasiatische Wohlstandssphäre« zu beherrschen, stellen immer noch ein technologisches und wirtschaftliches Potential erster Güte dar, aber das Klientel-System und die ererbten Gesellschaftsstruk turen der fast ununterbrochen regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) lassen sich auf andere Länder nicht übertragen. Die allzu enge, oft unterwürfig wirkende Beziehung zum ehemaligen amerikanischen Feind, die allerdings nicht ewig dauern dürfte, stößt bei den Nachbarn auf Skepsis und Verwunderung. In gewisser Hin sicht ist Japan zum England des Pazifik
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