Die Angst des wei�en Mannes
erfolgt – in Afghanistan eine vergleichbare Perspektive. Die halbwegs einsichtigen Offiziere der Atlantischen Allianz sind sich voll bewußt, daß der Krieg am Hin dukusch nicht zu gewinnen ist. Auch dort beeilt man sich, mit ame rikanischem Geld rekrutierte lokale Armeekräfte und eine bislang extrem schwache Polizei in großem Umfang aufzublähen.
Die Afghanisierung des Krieges ist das weithin proklamierte Ziel, ähnlich wie man in Bagdad die Irakisierung betreibt. In beiden Konflikten könnte – im Gegensatz zu Vietnam – ein Scheitern der USA und seiner Verbündeten immense geostrategische Umschich tungen und Verwerfungen nach sich ziehen. Hier geht es um die an gestrebte Vorrangstellung Irans am Persischen Golf sowie um die drohende Destabilisierung, ja Anarchie, die sich Pakistans bemäch tigen könnte, des einzigen islamischen Staates, der bislang über die Atombombe verfügt.
PräsidentJohnson tanzt mit Imeld a
Wenden wir uns ein letztes Mal den Philippinen zu. Der große Kriegsrat für den Sieg in Vietnam fand in Manila im Herbst 1966 statt, also ein Jahr nach dem massiven amerikanischen Eingreifen. Präsident Lyndon B. Johnson, der – in Außenpolitik und Strate gie unerfahren – sich auf die angebliche Sachkenntnis der engsten Berater des ermordeten John F. Kennedy, »the best and the brightest«, verließ, inszenierte eine verfrühte Siegesfeier. Das Fest wies – mutatis mutandis – eine gewisse Analogie zu jenem spekta kulären Flugzeugträger-Auftritt seines späteren Nachfolgers George W. Bush im Jahr 2003 auf, das unter dem Motto »mission accomplished« stattfand.
Die spanische Kolonialresidenz bot der Zusammenkunft einen prunkvollen Rahmen. Neben den Premierministern von Australien und Neuseeland waren Präsident Park Chung Hee aus Korea und ein thailändischer General aus Bangkok dem Ruf des amerika nischen Präsidenten gefolgt. Die Republik von Saigon war durch Regierungschef Nguyen Cao Ky und dessen Rivalen, General Nguyen Van Thieu, repräsentiert. Ferdinand Marcos spielte mit viel Gewandtheit und Eleganz den Gastgeber. Die Politiker und Militärs hatten alle das weiße philippinische Spitzenhemd über der dunklen Hose an. Die schattigen Alleen des Parks von Malacañang waren von mandeläugigen Mädchen gesäumt. Sie trugen die spa nische Kolonialtracht mit angeborener Grazie.
Die eigentliche Gipfelkonferenz hatte nicht lange gedauert. Hinter verschlossenen Türen hatte Lyndon B. Johnson seinen Alliierten mitgeteilt, daß Amerika seine Kriegsanstrengung in Vietnam bis zum Enderfolg steigern werde, daß die GIs in Zukunft die Offensivoperationen in eigene Regie nähmen. Den Südvietnamesen würden lediglich Verteidigungsaufgaben zufallen. Der Vorschlag des Fliegergenerals Nguyen Cao Ky, den Landkrieg nach Nordvietnam, in die Hochburg des Feindes, zu tragen, wurde vom Tisch gefegt. Das Risiko einer chinesischen »Freiwilligen«-Intervention nachkoreanischem Muster war zu groß. Angesichts der Entschlossenheit des US-Präsidenten und seines gewaltigen Einsatzes prophezeite die Weltpresse, die in Scharen nach Manila geströmt war, daß die Tage des Vietcong nunmehr gezählt seien.
Das Treffen von Manila endete mit einem ungezwungenen Bankett. Um Johnson und Marcos gruppiert saßen die offiziellen Teilnehmer an einer langen Tafel. Der festliche Raum mit den schweren spanischen Möbeln wurde von Fackeln erleuchtet. Ein Orchester musizierte. Der amerikanische Präsident hatte dem Al kohol kräftig zugesprochen. Wenn er sein Glas zum Toast erhob, erdrückte seine mächtige Cowboygestalt die asiatischen Partner. Johnson hatte sich Hals über Kopf in das Vietnam-Abenteuer ge stürzt, pokerte mit der Weltmachtrolle der USA und setzte dabei seine politische Karriere aufs Spiel.
Ich sah mir an diesem Abend die Männer und Frauen am Tisch der Prominenten sorgfältig an. Die Urwüchsigkeit Johnsons wirkte ungestüm und sympathisch an diesem kosmopolitischen Ende der Welt, wo Asien sich mit der Hispanität vermählt hatte, ehe ein halbes Jahrhundert US-Präsenz die Philippinen zusätzlich mit dem Firnis des »American way of life« überzog. Der Präsident hatte seine Frau, Lady Bird, mitgebracht. Mit ihrer vorspringenden Nase und dem Elsterblick glich sie tatsächlich einem Vogel. Aber sie strahlte jene amerikanische Freundlichkeit aus, die so entwaffnend ist.
Von einer ganz anderen Klasse war die Gastgeberin in Malacañang, Imelda Marcos. Sie bewegte sich wie eine Königin und war blendend
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