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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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schön. Die ehemalige Beauty Queen der Philippinen hatte mit den Jahren etwas Fülle angesetzt, was ihr aber gut stand. Man sagte ihr großen Einfluß auf ihren Mann nach. Die Oppositionspresse von Manila, die damals noch sehr aggressiv war, machte sie dafür verantwortlich, daß das Vermögen des Marcos-Clans ins Unermeßliche gestiegen sei. Wie so viele Asiatinnen in führender Position besaß sie Persönlichkeit, Intelligenz und stählerne Energie. Diese herrschaftliche Frau brachte es durch ihre natürliche Eleganz und durch ihr Auftreten zustande, daß der Präsident der Ver einigtenStaaten von Amerika wie ihr Vasall erschien. Zehn Jahre später erlag sogar der greise Mao Zedong ihrem Charme und küßte bei einem seiner letzten öffentlichen Auftritte der First Lady der Philippinen die Hand.
    Präsident Marcos gab eine gute Figur ab. Mit den Amerikanern verstand er umzugehen, seit er im Zweiten Weltkrieg an ihrer Seite mit Bravour gefochten hatte. Man merkte ihm an diesem Abend nicht an, daß ihm die innere Opposition im Parlament und die Stra ßenunruhen der Studenten zu schaffen machten, ganz zu schweigen von den versprengten Trupps der »New People’s Army«, die in den Bergen der Insel Luzon ausharrten und ihre Emissäre neuerdings in den brodelnden muselmanischen Süden des Archipels entsand ten.
    Die Regierungschefs von Australien und Neuseeland wirkten wie hohe Beamte aus dem Stab des Präsidenten der USA. Premiermi nister Holt von Australien hatte unter der Wirkung von Hitze und Alkohol einen knallroten Kopf bekommen, der mit der elfenbeiner nen Blässe der Asiaten kontrastierte. Als das Orchester einen Slow spielte, eröffnete Johnson mit Imelda Marcos den Tanz. Er drückte sie eng an sich und hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Nguyen Cao Ky, der Übergangspräsident von Südvietnam, forderte Lady Bird auf. Der angebliche Playboy Ky war in asiatischen Augen keine Respektsperson. Seine amerikanischen Gönner hofften ver geblich auf politische Profilierung und Initiative.
    Am äußersten Ende der Tafel saß eine reglose Figur aus Bronze, Präsident Park Chung Hee von Südkorea. Angesichts der alkoholischen Ausgelassenheit, der amerikanisch-australischen Kumpanei und ihrer lauten Geselligkeit hatte Park sich abgekapselt und trug unverblümt seine Mißlaune, seine Geringschätzung zur Schau. Er tanzte nicht und rührte das Essen kaum an. Die Backenknochen seines harten Soldatenschädels traten stark hervor, die Schlitze waren fast geschlossen. Dieser Sohn armer koreanischer Bauern war nach dem Putsch von 1961 von der Generalsjunta an ihre Spitze berufen worden, weil sie ihn als blasse Übergangsfigur einschätzte. Das war ein schwerwiegender Irrtum, denn mit konfuzianischer Autorität undeiner in der Armee des Tenno anerzogenen Strenge hatte General Park alle Hebel der Macht in Seoul an sich gerissen. Er konnte es sich leisten, in Manila wie der »steinerne Gast« aufzutreten.
    Zwei südkoreanische Elitedivisionen kämpften im Abschnitt von Qui Nhon in Zentral-Annam. Wo die Soldaten aus dem »Land des stillen Morgens« zuschlugen, da wuchs kein Gras mehr. Die Süd koreaner waren in Vietnam gefürchtet wie die Hunnen, mit denen sie angeblich entfernt verwandt waren. Daran gemessen waren das thailändische Kontingent und die paar philippinischen Soldaten, die nach Südvietnam entsandt worden waren, Operettenkrieger. Die Neuseeländer waren nur symbolisch vertreten. Die Australier hingegen bewährten sich im Dschungelkrieg und sorgten für Ord nung in ihrem Abschnitt zwischen Xuan Loc und Vung Tau.
    Ein Mitglied des Präsidentenstabes beugte sich zu Johnson und teilte ihm mit, daß eine randalierende Menge von Halbwüchsigen und Studenten das Hotel der amerikanischen Delegation belagere und in Sprechchören die Beendigung des Vietnamkrieges sowie die Räumung der US-Basen auf den Philippinen fordere. Es war weit nach Mitternacht. Lyndon B. Johnson gab das Signal zum Auf bruch. Er war bester Laune. Er stieg in seine gepanzerte Limousine. Über die Lautsprecheranlage ließ er mit schwerer Zunge immer wieder den philippinischen Gruß »Mabuhai« in den nächtlichen Park von Malacañang dröhnen. Auf der Treppe winkte ihm Imelda Marcos mit unergründlichem Lächeln nach.
    *
    Nur zwei knappe Jahre waren seit der Konferenz von Manila vergangen. Man feierte im Februar 1968 das chinesische Neujahrsfest, da holte der Vietcong, zur totalen Überraschung und zum Entsetzen General Westmorelands, zu der bereits

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