Die Angst des wei�en Mannes
des Erfolgs, ein harmloses Antlitz zeigt, werden die strategischen Ansprüche zurückgestellt. Den südostasiatischen Partnern wird eine ertragreiche wirtschaftliche Zusammenarbeit in diesem Raum angeboten und schmackhaft gemacht. Die vorüber gehend angespannten Beziehungen zwischen den absolut konträ ren Regimen von Manila und Peking haben sich weitgehend geglät tet, denn man weiß auch im Malacañang-Palast, wer in absehbarer Zukunft im Westpazifik die Schiedssprüche fällen wird.
Während ich diese Zeilen schreibe, entdecke ich in einer amerikanischen Agenturmeldung, daß die autokratische Präsidentin Gloria Arroyo Macapagal, nach Niederschlagung eines Militärputsches in der Hauptstadt, ihre verblüffende Energie wieder gegen den islamischenGegner an der Südflanke ihrer christlichen Republik richtet. Auf Mindanao, so lese ich, ist es zu heftigen Gefechten zwischen Regierungssoldaten und Guerrilleros der Moro Liberation Front gekommen. In dem Sumpfland der Insel, wo reiche Erdgas-und Ölvorkommen entdeckt wurden, mußten 50 000 Familien evakuiert werden.
Die laufenden Verhandlungen über eine eventuelle Autonomie des islamischen Südens sind damit bis auf weiteres zum Stillstand gekommen. Die Regierung von Manila sieht sich auf ihrem eige nen Territorium der unheilschwangeren Kombination von musel manischem Aufbegehren und verlockendem Petroleum-Reichtum ausgesetzt, die sich wie ein roter Faden durch das verkrampfte Ver hältnis des Westens zum weltumspannenden Gürtel des »Dar-ul-Islam« zieht.
Die Klage des Aeneas
Mit einer kurzen Anekdote aus der Epoche der Conquistadoren wollen wir diesen epischen Rundblick auf Südostasien abschließen. Versetzen wir uns in das Jahr 1521 zurück. Der portugiesisch-spa nische Weltentdecker Ferdinand de Magellan war soeben auf den Visayas erschlagen worden. Von seiner ursprünglichen Flotte aus fünf Karavellen waren nur noch zwei seetüchtig, und die erreich ten mit großer Mühe jene legendären Molukken-Inseln, wo der größte Reichtum der damaligen Zeit, nämlich die Gewürznelken, kostbarer als Gold, auf den Bäumen wuchsen.
Der Spanier Juan Sebastián de Elcano, der das Kommando der Expedition übernommen hatte, ließ vor dem winzigen Eiland Tidore den Anker setzen und nahm mit dem dortigen Sultan – bis hierhin war der Islam also schon vorgedrungen – Verhandlungen auf. Der Sultan war gern bereit, seine kostbaren Gewürze, darunter auch Pfeffer, Zimt, Vanille und Muskat, an die Fremden zu ver kaufen,wenn sie ihm Schutz gewährten gegen seinen Rivalen und unmittelbaren Nachbarn, den ebenfalls muslimischen Sultan von Ternate, dessen ebenso kleines Reich auf einem Vulkanriff mit den Portugiesen paktierte.
Die Lusitaner waren nach Umschiffung des Kaps der Guten Hoffnung und Durchquerung des Indischen Ozeans ihren iberi schen Nachbarn zuvorgekommen, hatten bereits auf den Moluk ken Fuß gefaßt und transportierten mit ihren Schiffen die kostbare Nelkenfracht nach Lissabon.
Nur einer Karavelle Magellans ist – mit Gewürzen überfrachtet – die Heimreise nach Spanien gelungen. Die »Victoria« hatte damit die erste Weltumseglung vollbracht und definitiv bewiesen, daß die Erde eine Kugel ist. Mit dem Erlös der Ladung, die die an Skorbut erkrankten, total erschöpften Matrosen nach Hause brachten, wa ren die gewaltigen Kosten des Unternehmens Magellan mehr als ausgeglichen. Die unglückliche Mannschaft der vierten Karavelle »Trinidad« konnte die morschen Planken ihres Seglers nicht mehr seetüchtig machen, fiel in die Hände der Portugiesen und endete im Kerker.
Aber die Erben Heinrichs des Seefahrers sollten ihrer fernen Be sitzungen nur ein Jahrhundert lang froh werden. Im Jahr 1605 ver nichtete die Flotte der »Vereenigde Oostindische Compagnie« mit überlegener Schiffsartillerie das schwache portugiesische Aufgebot bei Tidore und Ambon. Die lange holländische Kolonialherrschaft über Indonesien begann, und nun waren es die »Pfeffersäcke« von Amsterdam, die sich an den magischen Tropengewächsen berei cherten. Nach endlosen Scharmützeln wurde das Königreich Por tugal auf den bescheidenen Restbesitz der Osthälfte von Timor abgedrängt, und auf diesem Umweg kommen wir an den Ausgangs punkt dieses Buches zurück.
Welch erstaunliches Spektakel und welcher Wandel der Zeiten. Zwei atlantische Rand- und Kleinstaaten der Europäischen Union unserer Tage – Portugal und Holland – haben in jenen Tagen ihre imperialen Träume, ihre merkantile Gier
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