Die Angst des wei�en Mannes
über sie als über ihn«, zitiert Follath den »weisen Clown«, der nach dieser Aussage in dröhnendes Gelächter verfallen sei. Schonungsloser und scharfzüngiger kann die Entwurzelung des »weißen Mannes« am Ende seines Parcours durchChristentum, Aufklärung, mörderisches Neu-Heidentum, Verwerfung von Vernunft und Maß nicht angedeutet werden. Der »Herr des weißen Lotus« – in seine rote Mönchskutte gehüllt – sollte dem Abendland eher als ein Künder seines Niedergangs denn als Prophet einer weltabgewandten Erlösung erscheinen.
Die Ohnmacht Buddhas
Der religiösen Weisheit und Würde des Buddhismus soll hier durchaus gehuldigt werden. Aber zum Rezept beglückender Staats führung oder zur Friedensstiftung ist er nun einmal nicht geeignet. Darin unterscheidet sich die Lehre Gautamas übrigens nicht son derlich von den anderen uns bekannten Religionen.
Meine persönlichen Erfahrungen beziehen sich im wesentlichen auf den Bereich der ursprünglichen Theravada- oder Hinayana-Schule, deren in safrangelbe Togen gehüllte Mönche zu früher Stunde aus ihren Klöstern, ihren Sanghas, in langer Reihe aus schwärmen, um in Tonkrügen von den knienden Gläubigen ihre Nahrung einzusammeln.
Besonders am Herzen lag mir das Königreich Kambodscha, das unter der extravaganten, aber klugen Herrschaft des Prinzen Sihanouk meiner Vorstellung vom Paradies auf Erden am nächsten kam. Über dieses heitere Land, das – von jeder Erbsünde verschont – in familiärer Ungezwungenheit und materieller Sorglosigkeit in den Tag lebte, ist im Jahre 1970 ein grauenhafter Horror hereingebrochen. Das von Präsident Nixon und Henry Kissinger geschürte Komplott hatte die Sakralfigur Norodom Sihanouk, der sich ihren Plänen der Kriegsausweitung widersetzte, durch einen Armeeputsch gestürzt. Diese Insel des Friedens mitsamt ihren zahllosen Pagoden wurde den Vernichtungsschlägen der US Air Force ausgeliefert. Urplötzlich wurde das idyllische Kambodscha ein Opfer der Verwüstung, der sittlichen Verrohung durch das Vordringen primitiverMörderbanden. Die sogenannten Roten Khmer, die sich von einer pseudorevolutionären Agrar-Utopie blenden ließen, hatten in den Tiefen des Dschungels auf ihre Stunde gewartet. Etwa zwei Millionen Menschen wurden von den »Khmers Rouges« gezwungen, ihre eigenen Massengräber, die »Killing Fields«, auszuheben.
In jüngster Vergangenheit hat vor allem die dumpfe Militärdik tatur von Burma oder Myanmar die Entrüstung aller aufrechten oder verlogenen Demokraten wachgerufen. Unter der Kolonial herrschaft, als das hinterindische Irrawaddy-Tal mit dem Lied ver klärt wurde: »On the way of Mandalay where the flying fishes fly«, galt bei den britischen Verwaltungsbeamten der Satz: »To be a Bur mese means to be a Buddhist.« Diese mystische Grundausrichtung hat nicht verhindert, daß seit dem Tag der Unabhängigkeit eine bru tale Militärclique die Hauptstadt Rangoon in ein stählernes Korsett zwang, die in frommer Schicksalsergebenheit verharrende Bevölke rung tyrannisierte und die auseinanderstrebenden ethnischen Kom ponenten der Burmesischen Union mit Waffengewalt unterwarf.
Noch schlimmer ist es einem anderen, im Theravada-Buddhismus verwurzelten Staatswesen an der Südspitze des indischen Subkontinents ergangen. In Ceylon, das heute Sri Lanka heißt, hatte ich einst in Kandy in einer endlosen Schlange Gebete murmelnder Gläubiger den »authentischen«, allerdings überdimensionalen Zahn Buddhas bestaunt. Dessen Ermahnungen zur Versöhnlichkeit und zum Gewaltverzicht haben jedoch nicht verhindern können, daß die Regierung von Colombo einen endlosen Vernichtungskrieg gegen die Minderheit hinduistischer Tamilen auslöste, die als Plantagenkulis aus dem indischen Teilstaat Tamil Nadu rekrutiert worden waren und in ihrem nördlichen Schwerpunkt Jaffna politische Unabhängigkeit von der buddhistischen Mehrheit, zumindest ein weites Maß an Autonomie von Colombo forderten. Gegen diese Rebellion, vor allem gegen die gefürchteten »Tamil-Tiger« ist die Armee des buddhistischen Commonwealth-Staates mit allen zur Verfügung stehenden Vernichtungsmethoden vorgegangen. Als schließlich im Sommer 2009 der bewaffnete Widerstand der Tami lenzusammenbrach, wurde die wehrlose Zivilbevölkerung in scharf bewachten Baracken zusammengepfercht, die den Ausdruck »Konzentrationslager« verdienen.
Dem Kerngebiet des Theravada-Buddhismus, dem Königreich Thailand, sind solche Greuel erspart geblieben, was zu einem
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