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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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der plötzlich über Lhasa und eine Reihe tibetischer Siedlungen hereinbrach, war gut gewählt. Das internationale Kesseltreiben gegen einen harmoni schen Ablauf der Pekinger Olympiade war planmäßig vorbereitet worden. Es gipfelte in der häßlichen Gewaltszene, als in Paris ein paar »Menschenrechtler« einer körperlich behinderten Athletin die Olympische Flamme brutal entreißen wollten.
    DieGewalt in Tibet war von rotgewandeten Lamas und ihren Ge folgsleuten ausgegangen, die angeblich im Namen ihrer bud dhi stischen Lehre sich solcher Übergriffe hätten enthalten müssen. Jedenfalls war die Brandschatzung chinesischer Geschäfte und Nie derlassungen, die entfesselte Volkswut, die sich plötzlich nicht nur gegen die fremden Besatzer, sondern auch gegen die muslimische Minderheit der Hui entlud, das Produkt einer präzisen Planung. Um das festzustellen, bedarf es keiner finsteren Verschwörungstheorien.
    Die westlichen Medien haben die Zwischenfälle nach Kräften aufgebauscht. Die Niederknüppelung tibetischer Demonstranten vor der chinesischen Botschaft in der nepalesischen Hauptstadt Katmandu wurde im Fernsehen so dargestellt, als seien es chinesi sche und nicht nepalesische Polizisten, die erbarmungslos die Schlagstöcke führten.
    Niemand wird behaupten, daß der Dalai Lama diese Übergriffe angestiftet habe, die immerhin mehrere Todesopfer forderten, aber ganz ohne Zweifel wurden die massiven Störaktionen von turbu lenten Elementen tibetischer Exilorganisationen – nicht ohne Mit wirkung ausländischer Geheimdienste – angezettelt, die des be schwichtigenden Einlenkens ihres kompromißbereiten Gott-Königs längst überdrüssig sind. In den westlichen Metropolen waren es überwiegend exzentrische Figuren des Showgeschäfts, die sich wie der ins Rampenlicht bringen wollten und die Olympischen Ringe als symbolische Handschellen darstellten.
    Darüber hinaus wirkte es wie eine internationale Absprache, als der Dalai Lama von der deutschen Bundeskanzlerin fast wie ein Staatsoberhaupt in ihrem Amtssitz empfangen wurde, während un mittelbar danach George W. Bush die ihm verbliebene Amtszeit nutzte, um dem höchsten Würdenträger des tibetischen Buddhis mus, dem »Herrn des weißen Lotus«, eine hohe amerikanische Auszeichnung zu verleihen. Wie hätte wohl der damalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika reagiert, falls – um ein absur des Beispiel zu zitieren – dem Indianerhäuptling Sitting Bull, des sen Volk vor der physischen Ausrottung stand, im Ausland eine ähnliche Huldigung zuteil geworden wäre?
    Diedeutsche Regierungschefin, die dem demokratischen Präsi dentschaftskandidaten Barack Obama einen Auftritt vor dem Bran denburger Tor verweigert hatte, empfand keinerlei Bedenken, dem Dalai Lama diese Tribüne zu verschaffen. Hunderttausende deut sche Bewunderer dieses »Ozeans der Weisheit« verfielen in mys tische Verzückung. Der Heilsbringer aus Tibet, der sich zu neuen Reisen in die Bundesrepublik rüstet, ist – wie Der Spiegel bestätigt – in Deutschland populärer als der deutsche Papst, und der Buddhis mus hat der jungen Generation offenbar mehr zu bieten als das Christentum. Ein kleines Erlebnis am Rande: Beim Übernachten in einem Luxushotel von Düsseldorf entdeckte ich in der Schublade meines Nachttischs neben der Bibel, die vermutlich von den Zeu gen Jehovas gestiftet war, auch eine Einführung in die erhabene Lehre Gautamas, die Gabe einer offenbar recht finanzkräftigen Ge sellschaft für die Förderung des Buddhismus.
    Es liegt mir nichts ferner, als eine Person hohen geistlichen Ran ges, die von der Mehrzahl seiner Landsleute als göttliche Wieder geburt verehrt wird, in irgendeiner Weise zu schmähen. Daß er mich bei einer persönlichen Begegnung in Frankfurt nicht sonder lich beeindruckte, kann nicht als Kriterium dienen. Aber ganz of fensichtlich hat eine weltweite Lobby versucht, sich dieses Mannes zu bedienen, um unter Mißbrauch des olympischen Verbrüde rungsfestes alte Vorurteile und Ängste gegenüber dem schier unwi derstehlichen Aufstieg der Han-Rasse zu schüren.
    Aber eines muß festgehalten werden: Den Drahtziehern der AntiChina-Kampagne ist es tatsächlich gelungen, den sportlichen Wettbewerb, von dem sich die Milliardenbevölkerung des Reiches der Mitte weltweite Gemeinsamkeit und eine durchaus berechtigte Anerkennung ihrer Leistungen versprach, in einen Schauplatz von Zank, Eifersucht und Mißgunst zu verwandeln. Wer meint, er hätte mit diesen

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