Die Angst des wei�en Mannes
letzte Ufer«, so lautete der Titel eines Films, der die Vernich tung der Welt durch einen Nuklearkrieg schilderte und in dem Ava Gardner die weibliche Hauptrolle spielte. In Amerika, Europa und Asien war bereits jedes menschliche Leben erloschen. Nur an der Küste Australiens warteten die Überlebenden auf die unvermeidli che Ankunft der mörderischen radioaktiven Wolken. Ein Teil der Bevölkerung flüchtete zur Anrufung des Allmächtigen in die Kir chen, während viele andere die landesübliche Bierflasche leerten und zu den melancholischen Klängen von »Waltzing Mathilda«, der heimlichen Nationalhymne Australiens, dem Tod entgegentanzten. Doch entgegen diesen düsteren Phantasmagorien lebt heute auf dem Fünften Kontinent eine kraftstrotzende, zuversichtliche und gesel lige Nation, der man keine Spur von Untergangsstimmung anmerkt.
Es gibt keine historischen Monumente in diesem jungen Land, aber im abgelegenen »Outback«, in der öden Steppenweite West-Australiens, sind wir auf Ruinen- und Geisterstädte gestoßen, die die seltsamen Namen Kalgoorlie oder Coolgardie trugen. Im späten neunzehnten Jahrhundert waren in dieser Einöde die Sträflinge durch frenetische Goldsucher abgelöst worden. Das zufällige Auf findenvon ungewöhnlich großen Nuggets soll bis zu 400 000 Schatzsucher in die Wüste gelockt haben.
Doch so plötzlich der Reichtum gekommen war, ist er auch wie der verflogen. Trostlose Einsamkeit hat sich des Saloons von Kal goorlie bemächtigt, wo früher einmal Lola Montez als verwelkte Attraktion aufgetreten sein soll. Die alten weißen Männer, die wir an der Bar antrafen, wirkten ermattet, von der rauhen Umgebung ausgelaugt. Noch trauriger stimmte der Anblick eines im Sand ver lorenen Bordell-Viertels, wo weiße Huren, die irgendein klägliches Schicksal hierhin verschlagen hatte, vor ihren Hütten kauerten und die Mitglieder unseres Teams vergeblich mit dem Lockruf zu be tören suchten: »Germans are strong men.«
Die menschlichen Wracks des »Gold Rush«, die jammervollen weißen Akteure, wurden allmählich durch gespenstisch anmutende Gestalten ersetzt, die aus der Leere der Wüste nachrückten, wo sonst nur die Kamele der Pioniere überlebten. Die Aborigines ver mehrten sich in erstaunlichem Maße, ergriffen Besitz von den Rui nen und installierten sich zwischen den Pionierwagen und naiven Gipsfiguren eines kümmerlichen Museums, das den Forscher Sir Ernest Giles auf einem Kamel und den legendären Banditen Net Kelly in seinem selbstgeschmiedeten Eisenpanzer zeigte. Auch hier stieß der Fremde auf die Lethargie und Trunksucht der wortkargen Ureinwohner. Er empfand ihre Präsenz als einen lebenden Vor wurf, wie einen Alptraum.
Von den einst blühenden Goldgräbergemeinden am Rande der Great Victoria Desert mögen nur nackte Mauern und Wellblechtürme übriggeblieben sein. In anderen Regionen Australiens geht die Erschließung der immensen Bodenschätze mit Riesenschritten voran und fördert vielfältigen Reichtum. Wir wollen diesem flüchtigen Streifzug durch die Erinnerung noch einen kurzen Rückblick auf die äußerste Nordwestspitze hinzufügen, von den Einheimischen »Top End« genannt. Die endlosen Sumpfgebiete von Arnhemland, wo bizarre Felsformationen und Termitenhügel sich ablösen, bilden einen krassen Kontrast zu der trostlosen Dürre der riesigen Wüstenei. Weiter östlich ragt die York-Halbinsel knappe hundertKilometer an Neuguinea heran, nach Grönland die zweitgrößte Insel der Welt.
Über die Meerenge der Torres-Straße, so kann man vermuten, sind vor 50 000 Jahren, als die Landverbindung zu Südostasien noch bestand, menschliche Horden in diesen einzigartigen, bizarren Erdteil vorgedrungen, wo keine Säugetiere, sondern nur Beutel tiere lebten und – abgesehen von den urwäldlichen Riesenkrokodi len und zahllosen Schlangen – keinerlei menschenfeindliche Fauna vorhanden war. 40 000 Salzwasserkrokodile bevölkern heute die trügerische, tropisch-schwüle Sumpflandschaft von Arnhemland. Dort leben ebenfalls ein paar tausend Aborigines, denen ein weites Reservat zugestanden wurde.
Da laut Regierungserlaß keine Krokodile mehr gejagt werden dürfen, hat es mich verwundert, daß deren Zahl offenbar nicht un begrenzt zugenommen hat. Aber dieser Sauriergattung schreiben die Natur und die biologische Auslese ihre unerbittlichen Gesetze vor. Da der Vorrat an Nahrung nur für die bereits existierende An zahl ihrer Spezies ausreicht, fallen die schwächsten Tiere dem ani
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