Die Angst des wei�en Mannes
amerikanische Mutter, die aus Kansas stammte, verließ mit ihrem Sohn Barack den US-Staat Hawaii, um eine Lehrtätigkeit in Indo nesien aufzunehmen, wo sie einen Malaien heiratete, der wohl ebenfalls ein Muslim war. Der kleine Barack war damals acht Jahre alt und verbrachte zwei Jahre – von 1967 bis 1970 – in einer staat lichen Schule des gehobenen Menteng-Viertels von Jakarta. Alle Behauptungen, die aus saudischer Quelle ausgestreut wurden, der junge Obama habe in Indonesien eine Koranschule aufgesucht, haben sich als falsch erwiesen.
Aber aus jener Zeit stammt die echte Sympathie, eine sentimen taleBindung zu diesem volkreichsten islamischen Staat und seinen Einwohnern. In seiner Lehranstalt von Jakarta, wo Schüler sämtlicher Ethnien des riesigen Archipels problemlos miteinander lebten und der Mulatte »Barry« – wie sie ihn nannten – einem rassischen Typus entsprach, der auf den Molukken stark vertreten ist, wuchs er praktisch als Indonesier unter Indonesiern auf und erlernte die Landessprache im Nu.
Der neue Staatschef der USA verfügt über ein intimes Verständ nis der koranischen Lehre und Kultur, von der sein Vorgänger nicht die geringste Ahnung hatte. Selbst die islamistischen Parteien In donesiens fühlten sich durch die Berufung Obamas geschmeichelt, auch wenn ihr Generalsekretär Anis Matta fassungslos reagierte. »Ich habe größte Mühe, mir vorzustellen«, soll er gesagt haben, »wie ein Mann, der zur Hälfte Muslim ist, es fertigbrachte, von der Mehrheit der Amerikaner gewählt zu werden.«
In seiner Autobiographie berichtet Obama ausführlich über seine besonders enge Beziehung zu den Großeltern mütterlicherseits, vor allem zu seiner Großmutter, die er auf dem Höhepunkt des Wahl kampfes noch an ihrem Totenbett in Hawaii aufsuchte. In Kansas galt dieses kleinbürgerliche Ehepaar als weiß und angelsächsisch. Angeblich war ein Ururgroßvater aus Irland eingewandert, und vielleicht verlieh die rauhe keltische Abstammung dem brillanten halbschwarzen Aufsteiger die nötige Durchsetzungskraft, die Ro bustheit, aber auch die Verschlagenheit, die er so dringend benö tigte, als er sich beim politischen Engagement im Dschungel der unerbittlichen Parteienlandschaft von Chicago bis zur Würde eines Senators von Illinois aufschwang. Den unentbehrlichen Rückhalt hatte er sich dort bei der afroamerikanischen Unterschicht ver schafft und genoß vor allem die Unterstützung eines eifernden schwarzen Predigers, der vor Haßtiraden gegen die Weißen nicht zurückschreckte.
Der Fall Obama steht für eine Gewichtsverlagerung in USA, die weit über das Schicksal seiner ungewöhnlichen Persönlichkeit hinausreicht. Sein Name klingt wie das Signal für ein Amalgam unterschiedlicher Rassen, für ein multikulturelles Magma, das die schrittweiseUmgestaltung Nordamerikas andeutet. Es sind ja nicht nur die African-Americans, deren Prozentsatz sich bei etwa zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung stabilisiert hat, die sich nicht länger aus den Staatsgeschäften ausschließen lassen.
Der Zustrom lateinamerikanischer Zuwanderer, vor allem aus dem vom Bandenkrieg der Drogenmafia aufgewühlten Mexiko, hat eine profunde Umschichtung bewirkt. Die spanisch-indianischen Mestizen, die Hispanics, Latinos oder »Spics«, wie sie von der ver bitterten weißen Unterschicht genannt werden, machen mit schät zungsweise fünfzig Millionen Menschen bereits ein Sechstel der Gesamtbevölkerung der USA aus, und ihre Immigration – legal oder illegal – nimmt ständig zu.
Der neue Präsident empfinde aufgrund seiner multikulturellen Vita und seiner dunklen Hautfarbe eine spontane Affinität zu den spanisch oder portugiesisch geprägten Staaten des Subkontinents, so sollte sein Auftritt bei der Konferenz von Trinidad und Tobago kommentiert werden. Eine deutsche Zeitung schreckte nicht vor der Feststellung zurück, er passe »geradezu idealtypisch zu dem Rassenkuddelmuddel« dieser Region. Daraus ergebe sich die Wie derbelebung einer gegenseitigen Sympathie und einer Konsolidie rung des nordamerikanischen Einflusses jenseits des Río Grande, der in den letzten Jahrzehnten so sehr zu Schaden gekommen war.
Man kann die Dinge jedoch auch aus einer ganz anderen Perspek tive sehen. Nicht die Gringos des Nordens würden am Ende die Nutznießer dieser ethnisch-kulturellen Annäherung sein, sondern jene buntgescheckte Staatenwelt, die den USA wirtschaftlich zwar weit unterlegen bleibt, mit Hilfe ihres demographischen Überge wichts
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