Die Angst des wei�en Mannes
rikanische Großstadt mit überwiegend schwarzer Bevölkerung herausbildete, ohne daß diese ethnische Realität einem flüchtigen Besucher überhaupt aufgefallen wäre. »Drei Monate nach dem Wahltag«, so stellte Rich im Januar 2009 weiter fest, »bleibt die Tatsache kaum erklärbar, daß das amerikanische Volk die Prä sidentschaft einem jungen, schwarzen Mann anvertraute, der aus dem Nichts zu kommen schien – who seemed to come out of nowhere.«
Zur Feier seiner Inauguration ist Barack Obama die Bahnstrecke von Philadelphia nach Washington gefahren, die vor ihm Abraham Lincoln benutzt hatte. Ob er sich wohl bewußt war, daß für sein großes Vorbild die Sklavenbefreiung eine zweitrangige Bedeutung besaß und daß es ihm beim extrem verlustreichen Krieg gegen die Südstaatenin erster Linie darum ging, die Einheit der jungen Nation zu retten?
In zahllosen Zeitungsartikeln wurde Obama als »schwarzer Ken nedy« gefeiert, aber dieser in Europa beliebteste aller amerikani schen Präsidenten hat für die Überwindung der Rassendiskrimi nierung keinerlei Initiative ergriffen. War er doch in der damaligen Situation noch auf ein reaktionäres weißes Stimmenpotential in Dixie-Land angewiesen. Unvermeidlich wird Martin Luther King ins Gedächtnis gerufen mit seiner Predigt: »I have a dream!« Aber das einzige, was diese zutiefst unterschiedlichen Repräsentanten der schwarzen Bevölkerungsgruppe vereint, ist die Gefahr des Meuchelmordes, dem Martin Luther King bereits zum Opfer fiel und die Barack Obama ständig umlauert.
Der Ursprung des schwarzen Mannes im Weißen Haus gibt man ches Rätsel auf. Die Tatsache zunächst, daß sein Vater nicht etwa der Nachkomme von westafrikanischen Sklaven war, die sich immerhin auf eine lange Präsenz in Amerika berufen können, sondern daß er im ostafrikanischen Kenia als freier Mann geboren und Angehöri ger des nilotischen Luo-Volkes war, hätte beinahe eine Vielzahl der alteingesessenen Afro-Americans davon abgehalten, diesem Außen seiter, diesem Exoten, diesem Newcomer ihre Stimme zu geben.
Der offiziellen Biographie zufolge hat der kenianische Großvater Obamas am antikolonialistischen Aufstand gegen die Briten teilge nommen, wurde von den Kolonialherren inhaftiert und gefoltert. Da es sich dabei nur um die Mau-Mau-Revolte handeln kann, die in den fünfziger Jahren ausbrach und deren Niederkämpfung ich an Ort und Stelle miterlebte, kommen bei mir Zweifel auf.
Die Mau-Mau rekrutierten ihre kleinen Trupps von Dschungelkämpfern nämlich ausschließlich beim Bantu-Volk der Kikuju, deren eindrucksvoller Anführer und Inspirator Jomo Kenyatta sich nach langer Verbannung als erster Präsident des unabhängigen Staates von Nairobi durchsetzen sollte. Die Luo hingegen verhielten sich damals wie heute in altangestammter Gegnerschaft gegen die dynamischen und aufsässigen Kikuju. Wie dem auch sei, der Einzug Obamas ins Weiße Haus hat in ganz Afrika einen Sturm der Begeisterungausgelöst, und der schwarze Präsident wird gar nicht umhinkommen, den Nöten und Wirren seines geplagten Ursprungskontinents eine bevorzugte Aufmerksamkeit zu widmen.
Aus dem Namen Barack Hussein geht eindeutig hervor, daß sein Vater, der im überlieferten Stammesmilieu aufgewachsen war, der muslimischen Glaubensgemeinde angehörte. Er hatte eine bemer kenswerte akademische Karriere durchlaufen, bevor er als Univer sitätsdozent auf Hawaii die durch und durch weiße Mutter Obamas kennenlernte und ehelichte. Das arabische Wort »Barak« ist mit »Segen Allahs« zu übersetzen, und der Name Hussein bezieht sich auf den Enkel des Propheten Mohammed, der vor 1300 Jahren als Kämpfer des schiitischen Glaubenszweiges in Kerbela den Märty rertod erlitt.
Daraus leiten manche Iraner ab, daß Vater Obama Schiit gewe sen sein müsse. Da das koranische Recht sich an die patrilineare Erbfolge hält und den Nachkommen eines Muslim zwangsläufig in die islamische Umma eingliedert, würde im Prinzip das Ausschei den von dieser weltweiten religiösen Gemeinschaft als »irtida«, als »redda«, als Abfall vom wahren Glauben verdammt und mit dem Tod bestraft. So wäre es nicht ausgeschlossen, daß der neue ameri kanische Präsident, der sich zum Christentum bekennt, das Ziel eines islamischen Fanatikers würde. Die Gefahr jedoch, daß ihn ein rabiater weißer Rassist, ein Nostalgiker des Ku-Klux-Klan ins Visier nähme, ist wesentlich größer.
Die Eltern Obamas haben sich relativ früh getrennt. Die weiße
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