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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Führungsschicht, zumal die beiden Idole der marxistischen Revolution, der weißen Oberschicht angehörten. Die Familie Fidel Castros war erst vor einer Generation aus dem spanischen Asturien nach Kuba ausgewandert. Der als Märtyrer verehrte Che Guevara wurde als Sohn iberischer Eltern der gehobenen Klasse in Argenti nien geboren.
    Wird nunmehr nach der Zwischenphase des Bruders Raoul ein Mulatte oder ein Schwarzer an die Spitze des Staates treten, wie das dem ethnischen Proporz des Inselstaates entspräche? Von Rassis mus ist auf Kuba tatsächlich kaum etwas zu spüren, aber es mutet schon eigenartig an, daß in dem Moment, da Fidel Castro – Sohn europäischer Einwanderer –, der in seiner Alleinherrschaft über wiegend von der nichtweißen Bevölkerungsmehrheit seiner Kari bik-Insel getragen wurde, im Begriff steht, das Zeitliche zu segnen, in den USA, die unlängst noch als Hort rassistischer Vorurteile und Diskriminierung angeprangert wurden, ein Präsident ins Weiße Haus gewählt wird, dessen Vater einem afrikanischen Niloten-Stamm aus Kenia entstammt und zu allem Überdruß noch der Glaubensgemeinschaft des Propheten Mohammed angehörte.
Einschwarzer Messias aus US A
    Daß den Vereinigten Staaten von Amerika in der Stunde schwer ster Bedrängnis die rettende Heilsgestalt unter den Zügen eines Afro-American erstand, daß dieser 44. Präsident Barack Hussein Obama von seinen Bewunderern in aller Welt wie ein Messias ge feiert wurde, deutet auf eine historische Wende hin, an der gemes sen der Anschlag auf das World Trade Center von Manhattan zum »fait divers« schrumpft.
    In der Berufung eines schwarzen Citizen – in Wirklichkeit han delt es sich um einen Mulatten – zum Staatschef und Commander in-Chief offenbart sich eine soziologische Revolution. Im Jubilä umsjahr Charles Darwins ist man versucht, von einer genetischen Mutation der nordamerikanischen Gesellschaftsstruktur zu spre chen, die erst am Anfang ihrer evolutiven Weiterentwicklung steht.
    Vermutlich wäre dieser sensationelle ethnische »Coup d’État« sogar knapp gescheitert und der republikanische Gegenkandidat John McCain hätte einen schmalen Vorsprung behauptet, wenn nicht die Basis des Finanz- und Wirtschaftssystems, auf der die an gelsächsisch-protestantische Staatsgründung der USA bisher ruhte, in ihren Grundfesten erschüttert worden wäre. Auf dem Höhe punkt der Krise reichte es nicht, daß der calvinistisch geprägte Ka pitalismus, der sich anfangs in puritanischer Strenge entfaltet hatte, durch die maßlose Gier der Spekulanten und den vulgären Hedo nismus einer neuen Kategorie von Glücksrittern verdrängt wurde.
    Seltsame Zufälle treten hier zutage. Weit über die Grenzen der USA hinaus verbreitet sich ein Gefühl der Erleichterung, ja der Erlösung, daß die verhängnisvolle Ära der Irrungen unter George W. Bush zu Ende geht. Darüber hinaus kommt die Hoffnung auf, daß Amerika, das seiner Erbsünde der Rassendiskriminierung so spektakulär den Rücken kehrte, wieder zu den hohen Idealen der Menschenrechte und der Menschenwürde zurückfindet, die die Europäer nach dem Zweiten Weltkrieg so dankbar und bewun dernd übernommen hatten.
    DieDebatte darüber, wer Barack Hussein Obama wirklich ist, welche Form von »changes« er tatsächlich erzwingen will und kann, wird andauern und unweigerlich an Brisanz gewinnen. Die Euphorie ist vor einem ernüchternden »backlash« nicht gefeit. Der bizarre Werdegang, der Barack Obama dazu gebracht hat, die er drückende Last seines Vorgängers auf sich zu nehmen, die Chancen und die Risiken, denen er sich ausliefert, werden noch ganze Legio nen von Kommentatoren, Geographen und Historikern beschäf tigen. Es wäre vermessen, heute schon Konklusionen vorwegzu nehmen.
    Man muß die USA seit einem halben Jahrhundert kennen, aus der Zeit, als die Rassensegregation in den Dixie-Staaten tatsächlich noch einer Apartheid gleichkam, um das Wunder von Washington in seinem ganzen Ausmaß zu erkennen. Lyndon B. Johnson hatte die Nationalgarde, dann sogar die Armee ausschicken müssen, um die Durchsetzung seiner Civil-Rights-Gesetzgebung um 1965 manu militari zu erzwingen.
    »Ich hätte nie gedacht, daß der Tag Barack Obamas jemals kom men würde«, schreibt der Kolumnist Frank Rich, »und ich kann immer noch nicht glauben, daß es sich wirklich ereignet hat.« Er verdeutlicht das am Beispiel des Regierungssitzes Washington D. C., der sich zur Zeit der Wahl John F. Kennedys als erste ame

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