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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Verschwörern wirbt insgeheim für die Errichtung eines neuen Kalifats. Wie ihre eifernden Glaubensbrü der von Aceh in Nordsumatra werden sie gelegentlich mit den afghanischen Taleban verglichen, aber sie haben offenbar an Zu stimmung verloren, seit ihnen das mörderische Attentat von Kuta auf Bali zur Last gelegt wird.
    Wer kann im Land der magischen Puppenspieler den tatsächli chen Stand des religiösen Erwachens ermessen? Ein Korsett puri tanischer Unduldsamkeit schnürt neuerdings diese Gesellschaft zu sammen, in der es früher von barbusigen Prostituierten wimmelte und die Transvestiten – mehrheitlich einer gesonderten Kaste aus Bali entstammend – vor den Ausländerhotels lungerten. Bei aller Mäßigung sorgt Staatspräsident S. B. Y., der sich als General auf die Wahrung von Ruhe und Ordnung versteht, für die rechtzeitige Ein dämmung hysterisch-fundamentalistischer Ausschreitungen und die Zähmung einer im Untergrund operierenden »Front islami scher Verteidigung«.
    Doch die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage könne zur Folge haben, daß der Kampfruf des Bali-Terroristen Ghufron wie der mehr Anklang findet, als man in der augenblicklichen Phase der Gelassenheit und Toleranz vermutet. »O ihr Muslime«, hatte Ali Ghufron unter dem Applaus seiner Bewunderer im Gerichtssaal geschrien, »euer Lohn ist Jihad, eure Ehre ist Jihad. Für euch gibt es keinen Platz unter der Sonne, solange ihr nicht das Schwert schwingt gegen die Festungen der Ungläubigen, der Abtrünnigen und der Übeltäter.«
    Von solchen Ausbrüchen hält sich der fromme Ustaz Sobirin wohlweislich fern. Über einen Abgrund koranischer Wissenschaft verfügter offenbar nicht. Seine Lehrtätigkeit konzentriert sich auf den Hadith, auf die verbürgte Überlieferung aus dem Leben des Propheten. Als ich erwähne, daß ich in Usbekistan am Grabe des großen El Bukhari, des berühmtesten, allgemein anerkannten Biographen und Sammlers dieser Chronik, und auch am mächtigen Sarkophag des Mystikers Naqschband, des »Goldschmiedes der Seele«, verweilt hatte, gewinne ich Sympathie und Hochachtung. Bevor wir uns trennen, überreicht mir der Imam ein signiertes Dokument mit dem arabischen Vermerk: »el isnad sahih el Imam el Bukhari«. Damit nahm er mich symbolisch in seine Bruderschaft auf, die den Namen »Pondok Kutubussittah« trug. »Am liebsten hätte unser Prediger Sie gleich in die Glaubensgemeinschaft des Propheten Mohammed aufgenommen«, scherzt Ipang bei unserer Weiterfahrt.
»Goldschmied der Seelen«
    Ich erwähne diese Episode von Solo so ausführlich, weil sich in ihr die ungebrochene, werbende, die eifernd missionarische Kraft des Islam offenbart. Ich zögere, meinem Begleiter von ähnlichen Er lebnissen in der Türkei und in Afrika zu berichten. Vor zwei Deka den war ich im Istanbuler Fatih-Viertel auf der Suche nach einem Politiker der islamistischen Refah-Partei des Professors Erbakan an ein paar freundliche junge Männer geraten, von denen ich ver geblich auf arabisch versuchte, eine Auskunft zu erhalten.
    Daraufhin verwiesen sie mich an einen würdigen alten Hodscha, der auf der anderen Straßenseite seines Weges ging und mit dem ich mich zweifellos verständigen könnte. Mit einiger Mühe kam ich mit dem Korangelehrten ins Gespräch. Mit gütigem Lächeln wandte er sich an mich: »Du hast dir solche Mühe gegeben, die Sprache unseres Propheten zu erlernen. Bist du denn auch in der Lage, das islamische Glaubensbekenntnis, die ›Schahada‹, aufzusagen?« fragte er.Ohne zu zögern, rezitierte ich brav: »Aschhadu anna la Illah illa Allah wa aschhadu anna Muhammada rasul Allah – Ich bekenne, daß es keinen Gott gibt außer Gott und daß Mohammed sein Prophet ist.« Da brach der alte Hodscha in helle Freude aus und umarmte mich. »Du hast die Schahada aufgesagt; damit bist du einer von uns, bist du Moslem geworden, und du wirst eingehen in die Gärten des Paradieses.«
    Ähnliches widerfuhr mir im westafrikanischen Gebirge Guineas im Fouta-Djalon, wo die kriegerischen Nomadenstämme der Peul – man nennt sie auch Fulani oder Fulbe – ihre Herden weiden. Noch im späten neunzehnten Jahrhundert hatte diese schlankge wachsene Hamitenrasse die ganze Sahelzone entlang des Niger bis zum Tschad-See unter ihre Herrschaft gebracht und die dortigen Stämme in einem gewaltigen Jihad zum Islam bekehrt. Wenn sie unter ihrem Feldherrn und Emir Osman dan Fodio nicht ganz Ni geria der koranischen Umma einverleibten, so hatte das an der Tse

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