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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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wollte sich nicht einem neuen Netzwerk von Abhängigkeit und Knechtung auslie fern und verhindern, daß der Union Jack und die Tricolore von einst durch »Stars and Stripes« und »Hammer und Sichel« ersetzt würden.
    Am ersten Treffen in Bandung 1955 habe ich nicht teilnehmen können, aber ein paar Jahre später erlebte ich in Belgrad den Höhe punkt dieser buntgescheckten Allianz der Dritten Welt, die – von sehr unterschiedlichen Konzepten ausgehend – der Utopie schran kenloser Selbstbehauptung und Selbstbestimmung in einer zweige teilten Welt der Hegemonen anhing und sich zur Formel eines tu gendhaften Neutralismus bekannte.
    Es war ein eindrucksvolles Spektakel, als die malerisch kostümier ten Delegationen an einem heißen serbischen Sommertag die Stu fen der »Duma« von Belgrad erklommen. An ihrer Spitze befanden sich so illustre Gestalten wie der Inder Jawaharlal Nehru, der Indo nesier Ahmed Sukarno, der Ghanaer Kwame Nkrumah, Kaiser Haile Selassie von Äthiopien, der ägyptische Rais Gamal Abdel Nasser, der Kongolese Antoine Gizenga und – als Repräsentant der Volksrepublik China – der Mao-Vertraute Zhou Enlai.
    DieMonsterveranstaltung fand auf europäischem Boden am Ufer der Save statt, aber als einziger Europäer betrat der jugoslawische Staatschef Marschall Tito die Rednertribüne. Als Verfechter abend ländischer Interessen konnte dieser kommunistische Machtmensch, der Hitler und Stalin erfolgreich getrotzt hatte, jedoch schwerlich eingeordnet werden.
    In meiner Eigenschaft als Afrikakorrespondent der ARD war ich 1961 nach Belgrad gereist, spielte doch dort die Kongokrise, an der die UNO Dag Hammarskjölds so kläglich scheitern sollte, eine vor rangige Rolle. Fast schien es, als schwebe das Gespenst des Kongo lesen Patrice Lumumba, des ermordeten Vorkämpfers schwarzer Emanzipation, über dem Parlamentsgebäude von Belgrad. Bei Son nenuntergang war ich mit dem Kollegen Ulrich Schiller, der für die Balkan-Berichterstattung zuständig war, auf den Festungswällen der alten Türkenburg Kalemegdan spazierengegangen. Das Boll werk war erst durch den Prinzen Eugen dem Osmanischen Reich entrissen worden. Nach dieser Niederlage ging es mit dem Impe rium des Sultans und Kalifen unaufhaltsam bergab.
    Angesichts der bunten Ansammlung fremdrassiger Potentaten und Staatslenker, die sich hier ein Stelldichein gaben, angesichts einer damals noch weit überschätzten Kohäsion der in Gärung be findlichen Dritten Welt, hatten wir darüber reflektiert, ob sich nicht ein neuer Sturm auf das Abendland anbahnte, ähnlich dem Feldzug Suleiman des Prächtigen, dessen Janitscharen einst bis an die Tore Wiens vordrangen.
Der lächelnde General
    In jenem fernen Sommer 1954 bot sich mir die Gelegenheit, den Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Dipa Nusantara Aidit, kennenzulernen und mit ihm ein Gespräch zu führen. Sein Büro war irgendwo zwischen den stinkenden Kanälen der kolonia lenAltstadt untergebracht, die mit den Graachten der niederländischen Städte leider nicht zu vergleichen waren.
    Der noch junge Kommunistenführer Aidit hatte mich durch seine gewandten Umgangsformen und seine intelligente Argumentation beeindruckt. Er hätte zweifellos das Zeug zu einem charismatischen Volkshelden besessen. Die wenigsten hätten damals vorausgesagt, daß sein mächtiger südostasiatischer Zweig der Weltrevolution zehn Jahre später in einem grauenhaften Pogrom untergehen würde.
    Aus dem antikommunistischen Pronunciamento des Jahres 1965, das zur Entmachtung Ahmed Sukarnos führte, ging der Chef der Einsatztruppen, General Hadji Mohammed Suharto, als unange fochtener Militärdiktator Indonesiens hervor. Die amerikanischen, britischen und australischen Geheimdienste waren, wie sich her ausstellen sollte, an diesem Putsch diskret, aber wirksam beteiligt.
    Mit Sicherheit kam der radikale prowestliche Kurswechsel Jakar tas der Strategie Washingtons äußerst gelegen. Fast zum gleichen Zeitpunkt holten die amerikanischen Streitkräfte nämlich mit wachsendem technischem und personellem Aufwand zu ihrem ver hängnisvollen Abenteuer in Vietnam aus. Das Pentagon war bren nend daran interessiert, daß an der Südflanke seines Engagements in Indochina kein neutralistisches, mit Kommunisten paktierendes Regime am Ruder blieb.
    Die autoritäre Staatsführung des Armeeführers Suharto, der bei aller Unerbittlichkeit seiner Repression stets ein freundliches Ge sicht zur Schau trug und den Namen »the smiling General« trug,

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