Die Angst des wei�en Mannes
nach Mekka und Medina.
In einem diskreten Klostergarten haben wir in Jakarta zum schnalzenden Ruf der Geckos in kleiner Runde bis spät in die Nacht über die Bedrängnis der Christenheit offen und ausführlich diskutiert. Da ich als Internatszögling im Geiste des heiligen Ignazius von Loyola aufgewachsen war, besaß ich den nötigen »Stallgeruch«, um an dieser offenen Kritik der eigenen Hierarchie teilzunehmen. »Auch wir nehmen Bekehrungen vor, wenn sich die Möglichkeit dazu ergibt. Wir folgen der Aufforderung Christi, alle Völker des Erdballs zu taufen, soweit das heute noch in einer islamischen Umgebung möglich ist«, meinte ein junger französischer Pater aus der Bretagne. Aber was habe den deutschen Papst wohl dazu veranlaßt, die spektakuläre Taufe eines Mohammedaners aus dem Maghreb zu zelebrieren, wo ein solcher Abfall vom korani schenGlauben doch einer Hinrichtung durch die eigenen Familienangehörigen gleichkomme?
Noch größeres Unbehagen rief die Regensburger Vorlesung Be nedikts XVI. hervor, als der Heilige Vater Manuel II., einen obs kuren Kaiser des ermatteten Byzantinischen Reiches, zitierte und dessen Behauptung übernahm, die Lehre Mohammeds habe nichts Neues und ansonsten nur Negatives bewirkt. Ich war schon mehr fach von hohen Prälaten darauf angesprochen worden, daß der rö mische Pontifex damit nicht nur einen völlig unnötigen Disput mit der gesamten Umma heraufbeschwor, sondern daß er auch – was für einen Gelehrten seines Ranges erstaunlich ist – einer historischen Fehldeutung erlegen sei, habe doch die Verbreitung des Islam in der primitiven Stammesgesellschaft Arabiens eine positive gesellschaft liche Revolution bewirkt.
Bei allen zeitbedingten Unzulänglichkeiten habe die koranische Lehre die Gleichheit aller Gläubigen, die Pflicht zur Fürsorge für die Armen und Leidenden, die Witwen und Waisen eingefordert. Vor allem – und damit sei der durchschlagende Erfolg, die rasante Ausbreitung der Lehre zu erklären – existiere in dieser zutiefst ega litären Gesellschaft weder Klerus noch Adel, wenn man von der hierarchischen Struktur der schiitischen Minderheit und dem Pre stige absieht, das die Nachkommen des Propheten, die »Schurafa«, genießen, ohne sich in den meisten Fällen auf einen glaubwürdi gen Stammbaum berufen zu können.
Dem polnischen Vorgänger auf dem Thron Petri wäre eine sol che Entgleisung nicht unterlaufen, entrüstete sich der Bretone. Be nedikt XVI. habe seinem Auftrag noch zusätzlich geschadet, als er sich in einer Moschee von Istanbul zur nachgiebigen Versöhnungs geste bereit fand, zum gemeinsamen Gebet mit dem Ulama in Rich tung Mekka. Statt dessen hätte er mit strenger Mahnung die Ge meinschaft der Völker auf die Verfolgung und Ächtung aufmerksam machen müssen, denen die uralte apostolische Christenheit des Orients ausgesetzt ist.
Oft genug würden diese Gemeinden von Zwangsregimen und Potentaten bedrängt, die sich lediglich unter dem Schutz amerika nischerund europäischer Waffen auf ihren usurpierten Thronen halten könnten. Der von Ayatollah Khomeini gegründete schiitische Gottesstaat im Iran lege eine größere Toleranz gegenüber der christlichen und sogar der jüdischen »Familie des Buches« an den Tag als mancher angebliche Freund des Westens. Selbst der fürchterliche irakische Diktator Saddam Hussein habe seine christlichen Untertanen weit wohlwollender behandelt als der NATO-Verbündete und Europa-Kandidat Türkei.
Umsiedlung nach Sumatra
Die Rückkehr des Globetrotters in Gegenden, die ihn einst erfreu ten oder entzückten, ist meist mit Enttäuschung verbunden. In In donesien ist mir diese Ernüchterung erspart geblieben. Das mag eine rein individuelle Wahrnehmung sein. Man rollt eben nicht mehr mit der Eisenbahn quer durch Java, sondern benutzt ein weit verzweigtes Netz von Fluglinien. Die Infrastruktur ist besser als er wartet. In den Hotels wird ein Service geboten, der in Europa sel ten geworden ist. Dabei zeichnen sich die weiblichen Angestellten – das ist ja auch in China der Fall – durch besondere Kompetenz und Beflissenheit aus.
Natürlich lebt die Masse der Bevölkerung weiterhin in Armut, aber zum Himmel schreiendes Elend ist selten. Aus der ostasiati schen Finanzkrise der neunziger Jahre ist das Land fast unvermit telt in den Strudel der neuen weltweiten Rezession geraten. Vierzig Prozent der Bevölkerung lebt von knapp zwei Dollar pro Tag. Doch die Stunde des aufsässigen Tumults hat noch nicht
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