Die Angst des wei�en Mannes
tsefliege des Regenwaldes gelegen, der ihre Pferde erlagen und die dem Vorrücken ihrer Reiterheere bis zur Küste Einhalt gebot. Im merhin bilden die Fulbe, die Nachfahren des Emir Dan Fodio, die heute die Nordprovinzen Nigerias nach den strengen Vorschriften der Scharia regieren, weiterhin die Oberschicht in diesem endlosen Savannengürtel, wo sie sich durch eine Verschmelzung mit den ne groiden Haussa konsolidierten.
Man schrieb das Jahr 2000, als ich – die übliche Segensformel mur melnd – die zentrale Moschee des Fouta-Djalon in Dalaba betrat. Die versammelten Gläubigen luden mich ein – obwohl ich mich als christ licher »Ungläubiger« zu erkennen gegeben hatte –, mich in der vor dersten Reihe vor dem »Mihrab«, der Gebetsnische, einzuordnen, und ich unterzog mich den Übungen des Freitagsgebets, des exakt ausgerichteten Verharrens im Schneidersitz und der häufigen Vernei gungen in Richtung Mekka. Ich empfand diese rhythmischen Be wegungen als eine recht mühsame, sogar schmerzliche Gymnastik, während die einheimischen Greise sich mit Leichtigkeit bewegten.
Der Imam, der offenbar den Ruf großer Gelehrsamkeit und vorbildlicher Frömmigkeit genoß, forderte mich nach der Khutba, der Predigt,auf, mit seinen Koranschülern im Vorhof der Moschee ein Gespräch zu führen. Der würdige, selbstbewußte Mann drückte sich in vorzüglichem Französisch aus. Er bat mich, seinen »Tullab« – so lautet der arabische Plural von Talib – über meine Erfahrungen im asiatischen Raum, vor allem in Afghanistan, zu berichten, wozu ich mich gern bereit fand.
Etwa eine Hundertschaft junger Männer hockte vor der Stein bank, auf der ich neben dem Imam Platz genommen hatte. Meiner seits bestand großes Interesse, zu erfahren, inwieweit das fromme Kriegervolk der Peul, das weit verstreut lebt, seinen ethnischen Zu sammenhalt und seine religiöse Führungsrolle bewahrt hatte. Dem nach, so erfuhr ich, war die »Nahda«, das religiöse Wiedererwa chen, in vollem Gange, und wenn es denn nötig sei, seien sie auch bereit zur Wiederaufnahme des Kampfes auf den Pfaden Allahs, »fi sabil Allah«.
Unvermittelt richtete sich ein Talib auf, nachdem ich einen ver söhnlichen Koranvers zitiert hatte, und bat mich – ähnlich wie der Hodscha von Istanbul – meine Kenntnisse des Islam durch Aufsa gen der Schahada zu bestätigen. Wieder deklamierte ich das Glau bensbekenntnis, was laut allgemeingültiger Lehre ausreicht, um Mitglied der islamischen Umma zu werden. Sobald ich die Einzig keit Allahs und die Berufung des Propheten formuliert hatte, erhob sich lauter Jubel unter den jungen Leuten. Jetzt sei ich doch einer von ihnen, jetzt gehöre ich ihrer heiligen Gemeinschaft an. Der weise Imam neben mir hatte natürlich nicht den gleichen voreiligen Schluß gezogen und lächelte amüsiert. Ob ich mich im Falle einer Bekehrung nicht auch beschneiden lassen müsse, fragte ich im Scherz, aber da wandte er ein, daß man aufgrund meines hohen Alters auf diese Prozedur verzichten könne.
Mehr als anekdotischen Wert besäßen diese seltsamen Erfahrungen nicht, wird man einwenden. Aber beide Male habe ich intensiv gespürt, mit welcher Begeisterung der Übertritt zum Glauben des Propheten zielstrebiger denn je von den Kräften der islamischen Erneuerung betrieben wird, daß die Missionierung durchaus nicht immer durch unduldsamen Zwang begleitet wird, sondern daßim Fall meiner »Bekehrung« – auch wenn sie rein fiktiv war – eine helle, brüderliche Genugtuung aufkam, dem Konvertiten zum Heil verholfen zu haben.
Auf Java behauptet sich tatsächlich eine relative Duldsamkeit ge genüber den in der Pancasila erwähnten religiösen Bekenntnissen. Aber diese Toleranz, die weit entfernt ist vom stupiden Obskuran tismus jener afghanischen Taleban, die die riesigen Buddhastatuen von Bamyan sprengten, sollte auch nicht überschätzt werden. Sie schließt gelegentliche Brandanschläge auf Kirchen und sogar Po grome gegen die fehlgeleiteten »Kuffar« nicht aus.
Im Umkreis von Yogyakarta besuchte ich die buddhistische Kult stätte von Borobodur, die den kolossalen Ausmaßen ägyptischer Py ramiden nahekommt. Trotz der erdrückenden Mittagshitze bin ich bis zur Spitze dieser Nachahmung des Meru-Berges geklettert, wo unter der wabenförmigen Anhäufung zahlloser Stupas die Gestalt Gautamas in weltabgewandter Beschaulichkeit dargestellt ist. Eine gewaltige Besuchermenge – ausschließlich Indonesier – drängte sich auf den steilen Stufen und
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