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Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Titel: Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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Sommers ahnen ließ. Sie waren im Zoo gewesen, hatten über das ausgelassene Toben der Tiere gelacht, Fastfood in sich hineingestopft und das Zusammensein genossen.
    Die Erinnerung tat weh. Anna legte den Schnappschuss in das Kästchen zurück. Ausgeschlossen, dass Jaye all diese Dinge freiwillig zurückgelassen hat. Sie repräsentieren alles, woran sie sich erinnern möchte. Mit dieser Erkenntnis wallte Angst in ihr auf. Wenn Jaye nicht weggelaufen ist, wo steckt sie dann abends um halb zehn, an einem Wochentag?
    Anna klappte das Kästchen zu und nahm es mit hinaus zu Fran. „Haben Sie das gesehen?“
    „Das?“ Fran sah das Kästchen unsicher an. „Was ist das?“
    „Jayes Kästchen mit Erinnerungsstücken.“ Anna schlug den Deckel auf und zeigte ihr den Inhalt. „Es steckte unter der Matratze.“
    Fran machte eine fahrige, nervöse Geste. „Na und?“
    „Jaye hätte diese Dinge niemals einfach so zurückgelassen. Sie ist nicht weggelaufen, Fran. Ihr ist etwas zugestoßen.“
    Fran wurde blass. „Das kann ich nicht glauben …“
    „Hat sie heute Morgen eine Tasche mitgenommen?“
    „Nur ihre Büchertasche. Aber …“
    „Ich habe ihre Schulbücher nicht in ihrem Zimmer gefunden. Warum sollte sie Schulbücher mitnehmen und das hier zurücklassen? Wenn sie weggelaufen wäre, hätte sie ihre Schultasche dann nicht mit den Dingen gefüllt, die sie braucht: Kleidung, Schuhe, Zahnbürste und ihre Erinnerungsstücke? Kommen Sie, Fran, Jaye würde nicht weglaufen, ohne etwas mitzunehmen.“
    „Jetzt reicht es aber!“ brüllte Bob Clausen und kam in den Flur. „Hören Sie endlich auf, meine Frau zu belästigen!“
    Anna stellte sich ihm mit hämmerndem Herzen entgegen. „Ich belästige sie nicht, ich will nur, dass sie einsieht …“
    „Jaye ist abgehauen und hat uns sitzen lassen!“
    „Haben Sie mit Paula gesprochen?“ Anna bezog sich auf Paula Perez, Jayes Sozialarbeiterin. „Ich denke, sie muss erfahren, dass Jaye …“
    „Wir haben schon mit ihr gesprochen. Sie glaubt, Jaye ist weggelaufen. Sie kam schon vor uns zu dem Schluss. Wenn Jaye bis Mitternacht nicht aufgetaucht ist, wird Paula den Fall den Behörden melden.“
    „Aber sie weiß nichts von dem hier.“ Anna deutete auf das Kästchen in ihrer Hand.
    „Rufen Sie sie an. Mir ist es egal.“
    „Ja“, sagte Anna leise, als er sich abwandte, „es hat ganz den Anschein, dass Jaye Ihnen egal ist.“
    Bob Clausen erstarrte und drehte sich langsam zu ihr um. „Was haben Sie da gesagt?“
    Mit hoch erhobenem Kopf überspielte sie, wie eingeschüchtert sie war. Bob war ein Bär von einem Mann, und im Moment schien er gute Lust zu haben, sie zu zerreißen.
    „Sie sind Jayes Pflegeeltern, und ich finde es sehr … seltsam, dass Sie nicht mehr um sie besorgt sind.“
    Sein Gesicht wurde fleckig. „Was fällt Ihnen ein, hier hereinzutanzen und uns zu maßregeln! Wie können Sie unterstellen …“
    „Bob“, besänftigte seine Frau, „bitte!“
    Er ignorierte sie und machte drohend einen Schritt auf Anna zu. „Begreifen Sie denn nicht? Wir haben das schon mal durchgemacht. Sie nicht. Mädchen wie Jaye bleiben nicht. Sobald ihnen etwas quer geht, hauen sie ab. Sie verschwinden ohne ein Wort zu den Menschen, die sich um sie gekümmert haben.“
    Er machte noch einen Schritt auf Anna zu, und sie wich instinktiv zurück. „Ich möchte, dass Sie jetzt gehen.“
    Anna sah flehentlich zu Fran. „Bitte … ich kenne Jaye. Sie ist meine Freundin. Sie würde so etwas nicht tun. Ich weiß es!“
    Fran wandte sich mit verschlossener Miene ab. „Wenn wir etwas hören, informieren wir Sie.“
    „Danke.“ Anna hielt Jayes Kästchen fester und mochte es nicht hergeben, obwohl sie nicht recht wusste, warum. „Darf ich das für sie aufbewahren?“
    „In diesem Fall sind wir gehalten, alle Sachen von Jaye an den Sozialdienst zu übergeben.“
    Anna schluckte trocken. Das klang ominös und endgültig. Als sprächen sie über den Besitz einer Toten. „Bitte. Ich werde dafür sorgen, dass Paula es bekommt. Das verspreche ich.“
    Fran zögerte noch einen Moment und stimmte dann zu. Die Clausens brachten Anna zur Tür und sahen ihr nach, während sie davonging, das Kästchen an die Brust gedrückt. Als Anna ihr Auto erreichte und sich umsah, bemerkte sie, dass Fran und Bob verstohlene Blicke tauschten.
    Voller Panik stand sie einen Moment an ihrem Auto und dachte: Was ist bloß mit Jaye passiert?

17. KAPITEL
    Donnerstag, 18. Januar,
    23 Uhr 50.
    Jaye

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