Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
Kopfschmerzattacken. Besorgt hatte er das mit seinem Arzt besprochen, der eine Testreihe vorgeschlagen hatte, inklusive Computertomographie und EEG.
Zu seiner Erleichterung hatten diese Tests nichts Ungewöhnliches ergeben. Natürlich hatte er das Schlimmste befürchtet.
Sein Arzt hatte ihn ausgiebig nach seinen Lebensgewohnheiten und seiner Stressbelastung befragt, die natürlich auf Grund des sich verschlimmernden Zustandes seiner Mutter und den daraus resultierenden Veränderungen in seinem Leben nicht unerheblich war.
Schließlich hatte der Arzt ihm empfohlen, auf Koffein zu verzichten und Entspannungstechniken wie Yoga und Meditation zu erlernen. Er war den Anweisungen gefolgt und hatte eine Verbesserung seines Zustandes festgestellt. Allerdings nur eine leichte.
Er widmete sich gedanklich wieder Anna. Sie hatte nicht zugestimmt, dass er ihre Geschichte in sein Buch aufnehmen durfte. Hoffentlich hatte er sie nicht zu sehr bedrängt und verschreckt.
Ich war nicht ehrlich zu ihr.
Der Druck in seinem Kopf wurde stärker, und er stöhnte auf. Er hatte immer die Meinung vertreten, dass man mit Ehrlichkeit am weitesten kam. Als Therapeut sah er ständig, wie viel Zerstörung Unehrlichkeit im Leben der Menschen anrichtete, und ermutigte seine Patienten zu emotionaler Offenheit.
Warum also hatte er Anna verschwiegen, wie er dazu gekommen war, am Samstag die Sendung zu sehen? Stattdessen hatte er den Eindruck erweckt, es sei ein Zufall gewesen, und er sei ein alter Fan.
Ich hatte Angst, dass sie sich dem Interview verweigert, wenn ich ihr die Wahrheit sage.
Er hätte sich dafür ohrfeigen mögen. Er mochte Anna. Sie war klug, mit einem subtilen Sinn für Humor und von einer emotionalen Integrität, die man heute nicht mehr allzu häufig antraf. Sie verdiente seine Ehrlichkeit.
Und wenn er aufrichtig war, dann mochte er sie vor allem als Frau, was nichts mit seinem Buch zu tun hatte.
Plötzlich war sein Schmerz auf wundersame Weise verschwunden. Erstaunt und erleichtert nahm er die Kompresse von der Stirn und richtete sich auf. Er lächelte, lachte und fühlte sich, als hätte er mal wieder dem Teufel die Stirn geboten und gesiegt.
Er würde Anna anrufen und einladen. Bei einem üppigen Fünf-Gänge-Menü würde er reinen Tisch machen und die Sache mit dem Päckchen beichten, das man ihm dagelassen hatte.
Wohin sie von da aus steuerten, blieb abzuwarten.
16. KAPITEL
Donnerstag, 18. Januar,
19 Uhr 50.
Vom Café du Monde aus war Anna zur Messe in die Kathedrale gegangen. Die Türen hatten offen gestanden, die Glocken hatten geläutet, und aus einer Laune heraus war sie eingetreten und hatte sich in die Arme von Mutter Kirche begeben.
Die vertraute Liturgie gab ihr Kraft und klärte ihre Gedanken. Beim Verlassen der Kirche fühlte sie sich innerlich im Gleichgewicht, gestärkt und für neue Wendungen im Leben gerüstet.
Jaye würde ihr verzeihen. Und sie würde einen neuen Verleger und Agenten finden. Die Sendung auf dem Unterhaltungskanal würde letztlich keine schlimmen Folgen haben, sondern ihr nur ein verstärktes Gefühl der Unabhängigkeit bescheren.
Trotz der Kälte machte sie einen Umweg nach Haus. Sie schlenderte an Geschäften und Restaurants vorbei und durch stille vertraute Seitenstraßen. In ihrer Wohnung erwarteten sie Aufgaben: Dinner vorbereiten, Anrufbeantworter abhören, Post durchsehen.
Doch die wenigen Minuten bis dahin wollte sie an Ben und ihr Treffen denken. Sie hatte ihn gemocht, seine Gesellschaft war ihr angenehm gewesen. Seine Arbeit war faszinierend, und er hatte interessant darüber gesprochen.
Sie legte eine Hand auf die Stelle der Wange, wo seine Lippen ihre Haut berührt hatten. Es war eine kühne, romantische Geste von ihm gewesen, die Nähe und Vertrautheit herstellen sollte.
Das hatte funktioniert. Ihr Puls hatte schneller geschlagen, und ein Wohlgefühl hatte sie durchströmt. Andererseits war sie verblüfft gewesen, weil die Geste nicht recht zu dem Bild passte, das sie von Ben Walker hatte.
Stirnrunzelnd überlegte sie, dass sie ihn gerade erst kennen gelernt und nur eine kurze Unterhaltung mit ihm geführt hatte. Das machte sie kaum zur Kennerin seines Wesens. Trotzdem hatte sie in gewisser Weise das Gefühl, ihn zu kennen.
Fröstelnd kuschelte sie sich tiefer in ihren Mantel. Mit Beginn der Abenddämmerung war die Temperatur gesunken, und die Feuchtigkeit machte die Kälte noch unangenehmer. Sie durchdrang die Kleidung und kühlte den Körper aus.
Genug
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