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Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Titel: Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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erwachte stöhnend. Kopf und Rücken taten ihr weh, und ihr Mund fühlte sich trocken und sandig an wie ein Wassergraben nach monatelanger Dürre. Stöhnend rollte sie sich auf die Seite. Ein säuerlicher Geruch stieg ihr in die Nase, und sie öffnete die Augen.
    Sie erinnerte sich. Sie war zur Bushaltestelle gegangen und hatte über die Schulter nach dem alten Perversen Ausschau gehalten. Sie hatte gegrinst, weil sie ihm entwischt war. Hatte sie geglaubt. Im nächsten Moment war sie hinter eine Azaleenhecke gezerrt worden, und jemand hatte ihr etwas auf Nase und Mund gepresst. Sie erinnerte sich an ihr Entsetzen und den Drang zu schreien.
    Dann war ihre Umwelt schwarz geworden.
    Sie stemmte sich zum Sitzen hoch. Ihr Herz hämmerte, ihr Atem ging schnell und flach. Sie ließ den Blick durch den schwach erhellten Raum wandern, sie war allein.
    Sie atmete tief ein und aus, sich zu beruhigen. Ihr Überlebensinstinkt meldete sich. Bleib ruhig. Überleg, was zu tun ist.
    Sie saß auf einer Pritsche. Die Matratze war schmutzig vom vielen Gebrauch. Jaye presste die bebenden Lippen zusammen. Das einzige weitere Möbelstück im Raum war eine zusammenklappbare Sonnenliege, ein simples Gestell aus Aluminium und Nylongewebe. An der linken Schmalseite befanden sich ein Waschbecken und eine Toilette. Daneben stand eine Rolle Toilettenpapier, und auf dem Waschbeckenrand lagen eine Tube Zahnpasta, eine Zahnbürste und ein Handtuch.
    Entsetzt ließ sie den Blick weiterschweifen. Die Gipswände waren geborsten. Was noch übrig war von der verblassten Tapete, war fleckig und blätterte ab. Das einzige Fenster war mit Brettern vernagelt, um dessen Ränder herum blasses Licht eindrang. Gegenüber dem Fenster war die Tür.
    Sie stand auf und ging auf Zehenspitzen hinüber. Vorsichtig griff sie nach dem Knauf. Dabei zitterte ihr die Hand. Sie erinnerte sich an eine Szene aus einem Horrorfilm, den sie vor einigen Wochen gesehen hatte. Ein Mädchen in ihrer Lage hatte versucht zu fliehen, und als es den Türknauf berührte, hatte er sich in eine Schlange verwandelt.
    Aber das war ein Film gewesen. Dieser Albtraum war echt, und sie musste einen Fluchtweg finden.
    Sie schluckte trocken und packte den Knauf. Er war kühl und glatt – und blieb ein Knauf. Erleichtert sandte sie ein Dankgebet zum Himmel und versuchte, den Knauf zu drehen.
    Er bewegte sich nicht. Tränen traten ihr in die Augen. Sie blinzelte sie fort und schalt sich, dass sie auf ein Wunder gehofft hatte. Welcher Entführer hätte schon die Tür unverschlossen gelassen?
    Sie musste einen anderen Ausweg finden. Sie senkte den Blick und bemerkte erst jetzt, dass in eine der Türplanken eine Katzenklappe eingearbeitet war.
    Sie kniete nieder und nahm sie genauer in Augenschein. Offenbar war sie erst kürzlich eingesetzt worden, denn sie sah noch unzerkratzt aus. Sie drückte gegen die Klappe, doch die schien von außen verriegelt zu sein. Sie drückte fester, und die Klappe gab ein wenig nach. Frustriert zog sich Jaye zurück. Sie könnte die Klappe zwar auftreten, sich jedoch niemals hindurchzwängen. Also, wozu der Aufwand?
    Sie stand auf, drehte sich zum Fenster um und ging hin, um durch die Schlitze zwischen den Brettern zu blinzeln. Vielleicht konnte sie erkennen, wo sie war. Sie sah, dass es Nacht war. Das Licht, das zwischen den Brettern hindurchsickerte, war künstlich und kam von einer nahen Straßenlaterne. Sonst konnte sie nichts erkennen.
    Allerdings hörte sie gedämpfte Geräusche: Musik, Verkehr und redende Menschen.
    Menschen! Jemand könnte mich hören und nach mir sehen. Oder die Polizei holen.
    „Hilfe!“ schrie sie aufgeregt und schlug gegen die Bretter. Sie rief immer wieder und lauschte zwischendurch. Das Stimmengewirr von irgendwo außerhalb ihres Gefängnisses veränderte sich nicht. Niemand sah nach ihr. Niemand reagierte auf ihre Hilferufe.
    Sie können mich nicht hören. Sie sind zu weit weg.
    Hektisch wandte sie sich ab, lief zur Tür, rief und trommelte und trat dagegen. Ihre Stimme wurde heiser, die Hände wurden wund, und ihre Arme erlahmten. Trotzdem rief sie weiter, bis ihr Rufen in ein leises bittendes Wimmern umschlug.
    Erschöpft sank sie schließlich schluchzend zu Boden.

18. KAPITEL
    Freitag, 19 Januar,
    French Quarter.
    Ihr Name war Evelyn Parker gewesen. Schön und beliebt, war sie gern ausgegangen und eine regelmäßige Besucherin der Clubszene der Innenstadt gewesen. Sie hatte als Hygienikerin bei einem Zahnarzt in den Außenbezirken

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