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Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Titel: Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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ich es nicht an mich nehme.“
    Paula runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht.“
    „Der Inhalt dieses Kästchens beweist, dass Jaye nicht weggelaufen ist.“
    „Wir haben das schon am Telefon besprochen. Ich weiß, Sie wollen nicht akzeptieren …“
    „Sie hätte diese Dinge nicht zurückgelassen, Paula. Niemals. Es sind Erinnerungsstücke. Das ist alles, was sie aus ihrer Vergangenheit besitzt.“
    „Jaye ist ein kluges Mädchen, Anna. Sie weiß, dass wir verpflichtet sind, ihre Habseligkeiten für sie zu verwahren. Und sie weiß auch, dass es keine zeitliche Begrenzung für diese Aufbewahrungspflicht gibt. Sie taucht vielleicht in zehn Jahren auf und holt sich ihre Sachen ab.“
    Unberührt von dieser Logik versuchte Anna es auf andere Weise. „Wenn Jaye vorgehabt hätte wegzulaufen, warum hat sie ihre Büchertasche dann nicht mit Essen und Kleidung gefüllt? Warum hat sie ihre Schulbücher eingepackt? Warum hat sie ihre Lieblingssongs zurückgelassen? Das ergibt alles keinen Sinn.“
    „Fran und Bob haben mich heute Morgen angerufen. Wie es aussieht, fehlen aus ihrem Vorratsschrank einige Lebensmittel.“
    „Behaupten sie.“
    Paula erstarrte geradezu, und ihre Wangen überzog ein rosa Hauch. „Was soll das heißen, Anna?“
    „Es soll heißen, dass Fran und Bob vielleicht nicht die ganze Wahrheit sagen. Etwas ist seltsam an …“
    „Um Himmels willen!“ Paula sprang zornig auf. „Es sind nette Menschen, die seit fast zwanzig Jahren Pflegeeltern sind. Sie stehen allgemein in hohem Ansehen, auch bei mir. Was fällt Ihnen ein, sie eines … Verbrechens zu beschuldigen?“
    Anna stand auf. „Ich bitte lediglich darum, sich Jayes Verschwinden ein wenig genauer anzusehen. Befragen Sie die Clausens intensiver, schalten Sie die Polizei ein …“
    „Ich habe die Polizei bereits eingeschaltet und Jaye als vermisst gemeldet, wie das Gesetz es verlangt.“
    „Ich kenne Jaye, Paula. Sie würde so etwas nicht tun. Niemals. Ihr ist etwas zugestoßen.“ Anna beugte sich vor. „Sie hat mir erzählt, dass ihr von der Schule ein Mann gefolgt ist. Wenn Sie das der Polizei sagen …“
    „Fran hat mir das bereits gesagt, und ich habe es an die Polizei weitergegeben.“ Sie seufzte ungeduldig. „Sie kennen Jaye vielleicht nicht so gut, wie Sie denken. Sie hat einen komplexen Charakter und ist durchaus zu irrationalem Verhalten fähig. Das ist vielleicht schwer für Sie zu ertragen, aber es stimmt.“
    „Ich kenne ihre Vergangenheit. Ich weiß, dass sie ein halbes Dutzend Mal weggelaufen ist. Ich weiß von ihrem Angriff auf einen Lehrer und ihrem Selbstmordversuch. Aber sie ist in den letzten beiden Jahren viel reifer geworden, emotional und mental …“
    Die Sozialarbeiterin brachte sie mit erhobener Hand zum Schweigen. „Bevor Sie weiterreden, Anna, möchte ich, dass Sie ehrlich darüber nachdenken, inwieweit Ihr eigenes Schuldgefühl dafür verantwortlich ist, dass Sie nicht glauben wollen, Jaye sei weggelaufen.“
    „Mein Schuldgefühl? Weshalb sollte ich mich schuldig …“
    „Wie ich hörte, haben Sie sich kürzlich gestritten. Jaye fühlte sich von Ihnen hintergangen. Dass Sie ihr nichts von Ihrer Vergangenheit erzählt haben, wertete sie als Betrug.“
    „Das hat nichts damit zu tun.“
    „Nein? Haben Sie mal daran gedacht, dass sie weggelaufen sein könnte, weil Sie sie gekränkt haben? Es wäre dasselbe Verhaltensmuster wie die vielen Male davor. Vielleicht basierte die emotionale Reife, die Sie entdeckt zu haben glaubten, vor allem auf Vertrauen, das zerstört wurde, weil Jaye sich belogen fühlte.“
    Anna wollte das heftig bestreiten, doch der Vorwurf ging ihr nahe. „Ich wollte sie nicht verletzen“, presste sie schließlich hervor. „Ich habe versucht, ihr zu erklären, warum ich meine Vergangenheit geheim gehalten habe.“
    „Ich weiß“, erwiderte Paula sanft. „Aber ich bin ja auch kein verletzlicher Teenager, der von allen Menschen, denen er traute, betrogen worden ist.“
    „Ich wollte ihr nicht wehtun“, wiederholte Anna bedauernd. „Ich habe Jaye lieb gewonnen.“
    Die Sozialarbeiterin sah sie mitfühlend an und gab ihr das Kästchen zurück. „Behalten Sie das vorerst. Jaye würde sicher wollen, dass Sie es für sie aufbewahren.“
    Anna nahm das Kästchen, wandte sich ab und ging. Als sie das Gebäude verließ, betete sie, dass es Jaye gut gehen möge und sie in Sicherheit sei. Sie hoffte inständig, dass sie tatsächlich weggelaufen war, irgendwann zur Vernunft kam und

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