Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
mir zum Dinner ausgehen.“
„Dinner?“ wiederholte sie erstaunt.
„Ja. Heute Abend.“ Nach einer Pause versprach er: „Kein Drängen wegen irgendetwas. Nur Sie und ich, eine Flasche Wein und ein richtig gutes Essen. Was halten Sie davon?“
Sie zögerte nicht. Nach den letzten Tagen war ein ruhiges Essen mit einem interessanten Mann genau das, was sie brauchte.
Drei Stunden später kam Anna bei Arnaud’s an, einem feinen alten Restaurant in kreolischer Tradition. Ben war bereits da und erwartete sie auf dem Gehsteig. In dunkelblauem Anzug mit weißem Hemd und Krawatte sah er sehr gut aus.
Er kam an den Straßenrand, öffnete ihr die Taxitür und half ihr beim Aussteigen. „Sie hätten im Lokal warten können“, sagte sie. „Es ist eisig kalt hier draußen.“
„Ich wollte Ihnen keine Sekunde Zeit lassen, es sich anders zu überlegen.“ Lächelnd zog er ihre Hand unter seinem Arm hindurch. „Sollen wir?“
Sie gingen hinein, und der MaŒtre d’Hotel hatte ihren Tisch bereits reserviert – an den Bleiglasfenstern zur Straße. „Ich liebe Arnaud’s“, sagte sie leise. „Abgesehen von der ausgezeichneten Küche ist das hier eines der schönsten Speiserestaurants der ganzen Stadt.“
„Es ist schön, aber … ach egal.“
„Nein, sagen Sie’s mir.“ Sie glättete die Serviette auf ihrem Schoß. „Aber was?“
„Ich wollte gerade sagen, dass ich gar kein Auge dafür habe, weil ich den Blick nicht von Ihnen wenden kann. Sie sind schön, Anna.“ Er wurde rot. „Ich kann nicht glauben, dass ich das gesagt habe. Wie plump.“
„Es war süß.“ Sie langte über den Tisch und tätschelte ihm die Hand. „Danke, Ben.“
Ihr Kellner erschien, stellte sich vor, nahm ihre Getränkebestellungen auf und entfernte sich wieder. Während sie auf die Getränke warteten, redeten sie über das Menü und tauschten Geschichten über das Essen aus – eine Lieblingsbeschäftigung aller echten New Orleanser.
„Wie geht es mit Ihrem Buch voran?“ fragte sie, nachdem der Kellner die Getränke gebracht und ihre Essensbestellungen aufgenommen hatte.
„Oh nein, das tun Sie jetzt nicht.“ Ben drohte ihr spielerisch mit dem Finger. „Das letzte Mal habe ich die ganze Zeit geredet. Diesmal sind Sie dran.“ Er fragte lächelnd: „Wie geht es mit Ihrem Buch voran?“
Anna dachte an das runde Dutzend Absätze, die sie geschrieben und wieder gelöscht hatte. „Gar nicht“, gestand sie leise und nahm einen Schluck Wein. „Gegenwärtig bin ich ohne Buchvertrag und bald vermutlich auch ohne Verleger.“
„Wie kann das sein? Ihre Bücher sind fantastisch. Mindestens so gut wie die von Sue Grafton oder Mary Higgins Clark.“
Sie dankte ihm für das Kompliment und erklärte: „Der Verlag glaubt, meine Vergangenheit sei der Hebel, mich in die Bestsellerlisten zu hieven. Sie haben mir ein mehr als großzügiges Angebot gemacht, und ich möchte es annehmen, aber …“
„Was?“ drängte er, als sie den Satz abbrach. „Fällt Ihnen das Schreiben oder die Arbeit zu schwer?“
„Gar nicht. Ich mag meine Lektorin sehr, und insgesamt hat der Verlag viel getan, meine Geschichten herauszubringen.“
„Also, wo steckt das Problem?“
Sie senkte den Blick auf die fest im Schoß gefalteten Hände. „Sie wollen meine Bücher nur noch verlegen, wenn sie meine Vergangenheit vermarkten dürfen. Wenn ich ihr Angebot annehme, muss ich auf Werbetour gehen und Fernseh-, Radio- und Zeitungsinterviews geben. Meine Lektorin meinte sogar, sie würden mich in eine der großen Morgenshows bringen, in Today oder Good Morning America .“
„Und die Vorstellung macht Ihnen Angst.“
„Und wie.“ Sie sah ihm in die Augen. „Ich möchte das Angebot annehmen, aber ich fürchte, ich kann meinen Teil der Vereinbarung nicht erfüllen, im Fernsehen und Radio über mein Buch und meine Vergangenheit zu reden und mich vor jedem zu präsentieren, der …“ Sie schauderte. „Helfen Sie mir, Ben. Sagen Sie mir, was ich tun soll.“
„Wegen des Angebotes?“ Er lachte leise. „Sie wissen bereits, was Sie tun müssen. Es gefällt Ihnen nur nicht.“
„Verflixt. Ich hatte befürchtet, dass Sie das sagen würden. Keine Wunderkur, Doc?“
„Tut mir Leid“, erwiderte er mitfühlend. „Sie sind noch nicht bereit, an die Öffentlichkeit zu gehen, und das wissen Sie. Sie sind emotional nicht fähig zu tun, was Ihr Verleger erwartet.“
„Warum passiert mir das?“ Sie ballte frustriert die Hände. „Alles lief so gut. Meine
Weitere Kostenlose Bücher