Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
Schriftstellerei, mein Leben, alles.“
„Tatsächlich?“
„Was meinen Sie?“
„Eigentlich hat sich nichts in Ihrem Leben geändert, Anna. Man hat Sie nur vor die Wahl gestellt.“
„Vor eine ausgesprochen gemeine, wenn Sie mich fragen.“
„Nicht von deren Standpunkt aus. Die halten sich zweifellos für sehr fair. Nach dem, was Sie mir gesagt haben, bietet Ihr Verlag Ihnen nicht nur mehr Geld, sondern auch eine Chance auf Ruhm, von der die meisten Autoren nur träumen.“
„Sie klingen schon wie mein Agent.“
„Tut mir Leid.“ Er neigte sich zu ihr vor. „Tatsache ist nun mal, im Augenblick ist Ihre Angst größer als Ihr Wunsch, weiterhin verlegt zu werden. Und diese Angst ist verständlich, wenn man Ihre Vergangenheit in Betracht zieht. Deshalb ist sie aber nicht notwendigerweise rational. Und sie ist bestimmt nicht gesund.“
Sie führte ihr Weinglas an die Lippen, trank und merkte erschrocken, dass ihr die Hände zitterten. „Sie glauben also, ich sollte mich zusammennehmen, mich meinen Ängsten stellen und es tun? Das Angebot annehmen?“
„Das habe ich nicht gesagt. Ich denke, Sie können Ihre Ängste mit Hilfe eines guten Therapeuten überwinden. Nicht wie Ihr Agent und Ihr Verleger glauben, durch schiere Entschlossenheit. Das Rezept führt in die Katastrophe.“
Sie schwiegen, während der erste Gang serviert wurde. Gumbo aus Seefrüchten für sie und Shrimps Arnaud für ihn.
„Ich weiß, dass Sie Therapeuten satt haben, Anna“, sagte er und tauchte den Löffel in die dicke, würzige Suppe. „Aber wie wäre es, mit einer Gruppe von Menschen zu arbeiten, die im selben Boot sitzen? Ich habe donnerstagsabends eine Selbsthilfegruppe von Angstpatienten. Sie könnten dazukommen, sich das Ganze ansehen und schauen, ob Sie davon profitieren können. Falls es Ihnen unangenehm ist, mit mir zu arbeiten, gibt es auch noch andere Gruppen in der Gegend. Ich könnte mich für Sie umhören und Ihnen einige empfehlen.“
Sie überlegte, ob sie sich Menschen mit demselben Problem, das sie hatte, eher öffnen würde als einem Therapeuten. Möglich.
Er sah sie forschend an. „Was halten Sie von dem Vorschlag?“
„Ich bin skeptisch.“ Sie nagte an ihrer Unterlippe. „Nervös, aber neugierig.“
„Gut“, erwiderte er lächelnd. „Das ist ein Anfang.“
„Brauchen Sie sofort eine Antwort?“
„Keineswegs. Lassen Sie sich Zeit zum Nachdenken. Ihre Entscheidung muss freiwillig sein, fühlen Sie sich nicht gedrängt.“
Freiwillig? Eine nette Vorstellung. Aber ihr mysteriöser Terrorist – wie sie ihn insgeheim nannte – ließ ihr keinen freien Willen mehr.
„Falls Sie sich entschließen, es mit uns zu versuchen, lassen Sie es mich wissen. Die Gruppe ist ein intimes Forum, das auf einem hohen Maß an gegenseitigem Vertrauen der Teilnehmer basiert. Falls Sie mitmachen möchten, muss ich Sie der Gruppe vorstellen und ein wenig von Ihnen erzählen und im Prinzip die Erlaubnis der Gruppe einholen, Sie mitmachen zu lassen.“
Das klang vielversprechend, und sie sagte zu, sich zu melden, falls sie mitmachen wolle.
Von da an widmeten sie sich ihrem Essen, das so hervorragend war, wie Anna erwartet hatte. Ben erzählte von den verschiedenen Orten, an denen er gelebt hatte, doch Annas Gedanken schweiften immer wieder ab zu Jaye und Detective Malones Versprechen. Was würde er finden, wenn er sich die Vergangenheit der Clausens genauer ansah? Jaye hoffentlich, gesund und munter.
„Anna? Alles in Ordnung mit Ihnen?“
Sie blinzelte, durch Bens Frage aus ihren Gedanken gerissen. „Tut mir Leid, ich fürchte, die letzten Tage fordern ihren Tribut.“ Sie lächelte reumütig.
„Kein Problem. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“
„Ertragen Sie mich einfach.“
Er tat es, und für den Rest der Mahlzeit konzentrierte sie sich auf ihren Tischpartner.
Sobald die Rechnung beglichen war, erhoben sie sich, um das Restaurant zu verlassen. Ehe Anna den Kellner bitten konnte, ihr ein Taxi zu bestellen, erbot Ben sich, sie heimzufahren. „Das ist doch albern, ich wohne nur ein paar Blocks von hier. Und für Sie ist es ein Umweg.“
„Aber ich habe Sie zum Dinner eingeladen. Und jeder Gentleman, der dieses Prädikat verdient, bringt die Lady sicher heim.“
Sie zögerte nur einen Moment. „Also schön.“
Wenige Minuten später hielt Ben in der zweiten Reihe vor ihrem Haus, stieg aus und kam auf ihre Seite, um ihr die Tür zu öffnen. Er half ihr beim Aussteigen und begleitete sie an das Hoftor,
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