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Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Titel: Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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Viertels.
    Das war eine gute Nachricht. Sie war nicht weit weg von zu Hause oder den Menschen, die sie suchten. Sicher waren inzwischen die Polizei, der Sozialdienst und Anna eingeschaltet.
    Als sie an ihre Freundin dachte, wurde ihr wieder weinerlich zumute. Sie bedauerte ihren Streit und wünschte von Herzen das Gesagte zurücknehmen zu können. Sie wünschte sich einen weiteren Tag mit ihr.
    Bei dem Gedanken kehrten Angst und das Gefühl der Hilflosigkeit zurück, doch sie kämpfte dagegen an und konzentrierte ihre Gedanken auf eine Überlebensstrategie. So musste Anna es vor vielen Jahren gemacht haben. Wenn sie damals ihrer Angst nachgegeben hätte, wäre sie gestorben wie dieser kleine Junge.
    Nach ihrem Streit mit Anna hatte sie nachgeforscht, wie die Entführung abgelaufen war. Das war nicht schwierig gewesen, denn sogar in New Orleans hatte der Fall seinerzeit für Schlagzeilen gesorgt. Entsetzt hatte sie gelesen, wie der Entführer den kleinen Jungen ermordet und dann Harlow niedergehalten und ihr den Finger abgeschnitten hatte.
    Welche Panik und welche Schmerzen Anna überwinden musste, um zu überleben, überstieg ihr Vorstellungsvermögen. Das hatte ihr größten Respekt abgenötigt, trotzdem hatte sie ihr nicht verzeihen können.
    Jetzt konnte sie es. Jetzt verstand sie.
    Jaye schloss die Augen. Tief durchatmend schöpfte sie Kraft aus dem Mut ihrer Freundin. Was weiß ich von meinem Entführer? fragte sie sich. Sie hatte seine Hände gesehen, kräftig, aber nicht übermäßig groß. Die Haare auf Handrücken und Unterarmen waren schwarz. Daraus schloss sie, dass er ein dunkelhaariger Mann mittlerer Größe zwischen dreißig und fünfzig war.
    Er hatte seine Tat gut vorbereitet. Die Katzenklappe war erst kürzlich eingebaut, das Fenster erst kürzlich vernagelt worden. Und er hatte vorausgeplant, was sie brauchen würde: Toilettenartikel und frische Kleidung zum Wechseln. Die hatte sie allerdings noch nicht angerührt.
    Das hieß, er war sorgfältig und umsichtig. Und er hatte sie wahrscheinlich bewusst ausgewählt. Zweifellos war er es gewesen, der ihr von der Schule gefolgt war. Der alte Perverse, wie sie ihn genannt hatte. Er war ihr gefolgt, hatte ihren Tagesablauf ausgeforscht und den günstigsten Zeitpunkt für eine Entführung ausfindig gemacht.
    Aber warum ich? Was erhofft er ausgerechnet durch meine Entführung zu bekommen? Ich bin nicht reich. Lösegeld kann nicht der Grund sein.
    Also brauchte er sie für etwas anderes. Etwas Schreckliches, Krankhaftes? Jaye schluckte. Sie war nicht naiv. Sie wusste, was mit entführten Kindern meistens geschah.
    Plötzlich hörte sie ein Rascheln von jenseits der Tür. Ein leises, zögerliches Geräusch, ganz anders als sonst. Ängstlich starrte sie auf die verschlossene Tür.
    „Hallo? Bist du da?“
    Die Stimme, obwohl leicht rau, gehörte einem Mädchen. Jaye erstarrte fast. Noch ein Mädchen? Das kann doch nicht wahr sein!
    Sie stieg von der Pritsche und kroch, Herz hämmernd, zur Tür. Es könnte ein Trick sein. Vielleicht spielte ihr die eigene Fantasie vor Hilflosigkeit Streiche?
    Das Kind fragte wieder mit bebender Stimme: „Bist du da? Ich habe nicht viel Zeit. Wenn er es merkt, wird er wütend auf mich.“
    „Ich bin hier“, erwiderte Jaye, Tränen in den Augen. Sie war noch nie so dankbar gewesen, die Stimme eines anderen zu hören, wie in diesem Moment. „Mach die Tür auf! Lass mich raus!“
    „Geht nicht. Sie ist abgeschlossen. Er hat die Schlüssel.“
    Jaye wehrte sich gegen die aufkommende Verzweiflung. „Kannst du ihn besorgen? Bitte, du musst mir helfen!“
    „Ich kann nicht, ich …“ Das Mädchen wimmerte, offensichtlich hatte es Angst. „Ich bin nur hier um … Er möchte, dass du still bist. Er wird sonst böse auf dich. Und dann macht er mir Angst. Er …“
    Jaye ergriff den Türknauf und rüttelte daran. „Hilf mir. Lass mich raus!“
    Das Kind jenseits der Tür wimmerte wieder, und Jaye spürte, dass es sich entfernte. „Du musst still sein“, flüsterte es. „Du verstehst nicht. Du weißt nicht …“
    „Wer bist du?“ Jaye rüttelte wieder am Türknauf. Mit vor Entsetzen und Frustration schriller Stimme fragte sie: „Wo bin ich? Warum tut er mir das an?“
    „Ich hätte nicht kommen sollen. Er wird es erfahren … er wird merken …“
    Die Stimme des Mädchens wurde leiser, und Jaye trommelte verzweifelt gegen die Tür. „Geh nicht! Bitte, geh nicht … verlass mich nicht!“
    Stille. Sie war wieder

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