Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
allein.
23. KAPITEL
Samstag, 20. Januar,
8 Uhr 15.
Anna erwachte benommen nach einer weiteren unruhigen Nacht. Sie war erschöpft gewesen und hätte gut schlafen müssen. Stattdessen hatte sie Albträume von Kindern gehabt, die ein leichtsinniges Versteckspiel mit einem gefährlichen Monster trieben, das immer außerhalb ihres Blickfeldes blieb.
Sie stieg aus dem Bett, schlüpfte in ihren alten Chenille-Bademantel und Plüschslipper und ging zu den Doppeltüren, die auf den kleinen Balkon führten. Der Tag war sonnig und klar, der Himmel wolkenlos blau.
Unten im Hof saßen Dalton und Bill in ihre Mäntel gehüllt. Dampf stieg aus ihren Kaffeebechern auf. Zwischen ihnen stand ein Teller mit Croissants und Früchten. Lächelnd schob Anna die Tür auf und steckte den Kopf hinaus. „Morgen, Jungs!“ rief sie. „Habt ihr den Verstand verloren? Es friert doch! Wie haltet ihr es da unten aus?“
Dalton drehte sich um, sah zu ihr hinauf und betupfte sich den Mund mit einer Serviette. „Der Wetterdienst hat uns eine Tendenz Richtung Wärme versprochen. Es soll noch recht angenehm werden heute.“
„Ja, es sieht nach einer Hitzewelle aus“, spottete sie fröstelnd. „Vergesst die Sonnenmilch nicht.“
„Immer geht ihr Vernunft über Vergnügen“, klagte Bill und winkte. „Komm runter. Wir haben noch ein Croissant und genügend Obst.“
„So sehr ich euch liebe, Jungs, die Wärme liebe ich noch mehr. Mit anderen Worten: Ausgeschlossen, ihr spinnt ein bisschen.“
Dalton zog einen Flunsch. „Aber wir wollen alles über deine Verabredung hören.“
„Dann kommt herauf. Ich mache uns Café au lait.“
Sie zog sich ins Zimmer zurück, ohne die Balkontüren zu verriegeln. Nach einem raschen Aufenthalt im Bad eilte sie in die Küche, um den Kaffee zu bereiten. Als sie die gefrorenen Kaffeewürfel in die Becher gab, hörte sie ihre Freunde bereits an der Tür.
Sie öffnete, und die beiden drängten geradezu herein, zogen die Mäntel aus und rieben sich die Hände.
„Heilige Mutter Gottes, ist das kalt draußen.“
„Ich habe gar kein Gefühl mehr in den Händen.“
Anna zog eine Braue hoch. „Was ist jetzt mit Vergnügen?“
„Hat sich den Arsch abgefroren“, entgegnete Bill gereizt. „Ich habe dieses Wetter satt. Mensch, das ist doch New Orleans hier, Louisiana, praktisch die Tropen.“
Dalton nahm seinen Partner kurz tröstend in den Arm. „Verzeih ihm, Anna. Er ist bloß angesäuert. Du weißt, wie gerne er im Freien isst.“
„Und Shorts trägt. Was nützt mir ein knackiger Hintern, wenn ich ihn nicht zeigen kann.“ Bill reichte ihr den Teller mit Früchten und Gebäck. „Denkt mal nach. Schließlich ertragen wir die Hitze im Juli und August, um im Winter nicht unter dieser elenden Kälte zu leiden. Ist dieses Wetter vielleicht fair?“
„Äußerst unfair“, stimmte Dalton zu. „Man könnte glatt gewalttätig werden.“
„Genau.“ Bill rieb sich wieder die Hände. „Und als Killer zuschlagen, weil es kalt ist.“
Dalton spann den Faden begeistert weiter. „Die Mordlust beginnt als Spiel, aus Langeweile. Und eskaliert, bis die Leute links und rechts reihenweise umfallen.“
„Wie die Fliegen.“ Bill applaudierte. „Anna, das Thema solltest du benutzen. Es ist gut.“
Anna goss die dampfende Milch in die Becher, ein Lächeln um die Mundwinkel. „Sehr inspirierend, Jungs. Spuckt nur weiter Ideen aus. Ich kann jede Hilfe gebrauchen.“
Sie trugen ihre Kaffeebecher an den Küchentisch, setzten sich und tranken schweigend.
„Wie war dein Rendezvous?“ fragte Dalton schließlich, die Hände um seinen Becher gelegt.
„Es war kein Rendez…“ Sie verstummte, denn es war eindeutig ein Rendezvous gewesen. Also, warum leugnen?
Weil ich es nicht wie ein Rendezvous empfunden habe.
Sie nahm ein Croissant. „Es war nett, richtig angenehm.“
Bill und Dalton tauschten Blicke und sahen sie wieder erwartungsvoll an. „Erzähl uns jedes schlüpfrige Detail.“
Stattdessen berichtete sie von der überraschenden Eröffnung, die Ben ihr beim Abschied gemacht hatte.
„Verdammt und zugenäht“, schimpfte Dalton.
„Kein Scherz.“ Sie schob den Teller mit den Croissantresten zurück. „Er ist sicher, dass einer seiner Patienten dahinter steckt. Aber er weiß nicht, welcher.“
„Hast du ihm den Namen genannt, den deine Mutter …“
„Ja. Er hat keinen Patienten mit diesem Namen.“ Sie seufzte resigniert. „Er hat versprochen herauszufinden, wer ihm das Päckchen
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