Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
ihrer Kindheitserlebnisse waren für sie bereits zu viele Lebensbereiche mit Furcht behaftet. Aber nicht das Quarter, hier wollte sie sich sicher fühlen.
„Detective, ich entbinde Sie jeglicher Verantwortung für meine Sicherheit. Ich bestehe sogar darauf, dass Sie sich nicht um mich kümmern. Gute Nacht.“ Sie marschierte auf den Ausgang zu, Malone hinterher.
„Lassen Sie mich Ihnen ein Taxi rufen.“
„Nein!“
„Anna, das ist kein Scherz. Da draußen gibt es einen Killer.“
„Und Vergewaltiger und Verbrecher und Entführer.“ Sie zwang sich, ruhiger zu sprechen. „Ich kann nicht in ständiger Angst leben, Malone. Das Quarter ist mein Zuhause. Ich wohne ein Dutzend Blocks von hier entfernt. Auf dem Weg dorthin leben etliche Freunde, zu denen ich mich im Notfall jederzeit flüchten könnte. Außerdem bin ich schon Hunderte Male allein durchs Quarter gegangen, ohne Schwierigkeiten zu haben.“ Sie erkannte an seinem Mienenspiel, dass ihre Argumente auf taube Ohren stießen.
Sie versuchte es anders. „Also schön, ich gebe auf.“ Seufzend heuchelte sie Kapitulation. „Bringen Sie mich heim, wenn Sie danach besser schlafen können. Gehen Sie, sagen Sie Ihrem Partner Bescheid. Ich warte hier.“ Stirnrunzelnd fügte sie hinzu: „Aber halten Sie sich nicht zu lange auf, sonst bin ich weg.“
„Okay, bin gleich zurück.“ Erleichtert ging er los und blickte noch einmal über die Schulter zurück. „Versprechen Sie mir, nicht abzuhauen.“
Sie hielt zwei Finger hoch. „Pfadfinderehrenwort.“
Sobald er in die Menge eintauchte, drehte sie sich um und verschwand durch die Tür. Sie lächelte über ihre List und hatte nur winzige Gewissensbisse wegen des Wortbruchs. Schließlich hatte er ihr seine Gesellschaft regelrecht aufgedrängt.
Und außerdem war sie nie Pfadfinder gewesen.
Sie ging rasch, denn Malone würde versuchen, sie einzuholen, sobald er ihr Verschwinden bemerkte. Was für ein dominanter, überheblicher Kerl. Zweifellos machte ihn seine verbissene Entschlossenheit zu einem guten Polizisten, aber auch zu einem Ärgernis.
Sie kuschelte sich tiefer in ihre Lederjacke. Ohne Bills und Daltons Begleitung war ihr kalt. Die Straßen des French Quarter mit ihren Geräuschen, Eindrücken und Gerüchen waren vertraut und behaglich.
Für gewöhnlich. Nicht so heute Nacht. Es hatte geregnet, während sie im Tipitina gewesen war. Einer jener kalten Güsse war niedergegangen, der auch die Hartgesottensten in die Häuser trieb. Die leeren Gehsteige waren eisig und glatt, und die feuchte Kälte durchdrang ihre Schuhsohlen und kroch an ihr hoch.
Sie bog auf den Jackson Square ein. Die Ladenfronten waren dunkel und für die Nacht geschlossen. Sie sah auf ihre Uhr. Nach eins, viel später, als sie gedacht hatte.
Zwei Frauen wurden umgebracht. Beide hatten rotes Haar. Beide sind an ihrem letzten Abend mit Freunden durch die Clubs gezogen.
Anna schlang die Arme um sich. Zur Hölle mit Detective Malone, dass er ihr solche Angst gemacht hatte. Was fiel ihm ein, sich ihr aufzudrängen und ihr den Abend zu verderben. Es ging ihr gut. Sie war in Sicherheit und schwebte in keinerlei Gefahr.
Doch der Gedanke an die zwei getöteten Frauen ließ sie nicht mehr los. Sie hatte in der Times-Picayune darüber gelesen. In dem Artikel war die Haarfarbe jedoch nicht erwähnt worden. Und man hatte auch nicht besonders hervorgehoben, dass die Opfer am Abend ihres Todes zum Tanzen aus gewesen waren.
Man hatte lediglich die Todesumstände genannt.
Vergewaltigt. Dann erstickt.
Sie fröstelte. Plötzlich erschien ihr die Stille bedrohlich, die Leere der Straßen unnatürlich. Ihre flachen Slipper machten bei jedem Schritt ein leises klatschendes Geräusch. Nicht zu vergleichen mit den schweren Schritten hinter ihr.
Hinter mir?
Ihr Herz schlug schneller. Sie schalt sich für ihre blühende Fantasie und verfluchte Quentin Malone erneut, weil er den Keim der Panik gesät hatte.
Für alle Fälle beschleunigte sie ihre Schritte, um rasch heimzukommen.
Die Schritte hinter ihr wurden ebenfalls schneller.
Sie blieb stehen. Stille ringsum. Mit hämmerndem Herzen zwang sie sich, über die Schulter zu blicken. Der Gehweg hinter ihr war leer. Sie ließ den Blick schweifen. Schattige Winkel rings um den Platz, dunkle Ladeneingänge. Bedrohlich.
Am liebsten hätte sie einen Angstschrei ausgestoßen, doch sie beherrschte sich. Sie musste ihre lebhafte Fantasie in den Griff bekommen. Sie ging weiter, ruhigen Schrittes zunächst,
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