Die Angst spielt mit
ebenfalls finster drein. “Adressiert an Veronica Morgan zu Händen von Maggie Mead.”
Maggie verspürte eine heftige Sorge, die sie davon abhielt, den Umschlag einfach aufzureißen.
Kevin nahm ihr den Umschlag ab und riss ihn mit seiner unnachahmlichen Sorgfalt sachte auf. Ein einzelnes weißes Blatt lag darin. Er zog es langsam heraus und entfaltete es.
Die kurze Nachricht bestand aus Buchstaben in unterschiedlichen Formen und Größen, die aus einer Zeitung ausgeschnitten worden waren. Es waren nur zwei Wörter:
SIE LEBT!
4. KAPITEL
“S ie lebt, sage ich euch. Ich spüre es.” Ihre Stimme war angespannt, aber ihre haselnussbraunen Augen schimmerten. Sie betupfte ihre Augen mit einem weißen Taschentuch.
“Tun Sie sich das nicht selbst an, meine Liebe. Sie machen sich nur krank.” Die Stimme, die sie anflehte, sich zu beruhigen, klang gepresst und ernst.
“Niemand glaubt mir. Warum glaubt mir niemand? Ich bin eine Mutter. Ich weiß es.” Sie hob ihr flehendes Gesicht.
“Wir sind alle verzweifelt. Wir wünschen uns alle, wir könnten etwas tun”, kam die glühende Antwort.
“Wirklich?” Ihre Stimme klang gedämpft, bebend.
Mildred klatschte in die Hände, um die dritte Lesung der Dialoge zu stoppen. Sie brach in den Kreis ein und legte ihre Hand auf die Schulter ihrer Tochter. “Nein, Maggie, diese letzte Frage muss verzweifelter sein.”
Maggie schüttelte den Kopf. “Ich glaube, Veronica ist misstrauisch, vorsichtig. Sie ist nicht überzeugt, dass dieser Farmarbeiter es getan hat. Und sie vermutet, dass jemand aus ihrer Umgebung in die Sache verwickelt sein könnte.”
Anna Blair, ein Neuling in Thornhill, die soeben mit Maggie die Szene gespielt hatte, war nicht so sicher. “Ich glaube nicht, dass Veronica der Person, die ich spiele, gegenüber misstrauisch ist. Ich meine, Rhonda Willians, eine so harmlose Frau, eine vertrocknete, altjüngferliche Lehrerin, die ständig versucht, alle und jeden zu trösten, einschließlich Veronica, ist doch über jeden Verdacht erhaben.”
“Ja, aber sie hat gelegentlich auf Veronicas Baby aufgepasst, und Veronica überlegt bereits, wer alles Kontakt zu ihrem Baby hatte”, zeigte Maggie auf. “Und manchmal sind es die stillen, harmlosen Typen, auf die man achten muss.”
Lydia Powell, die elegante Besitzerin von Eva Fashions auf der Main Street, die Yvonne, die Geliebte von Veronicas Ehemann spielte, hatte ihre eigene Theorie. “In Szene drei des ersten Aktes war klar, dass Veronica wusste, dass ich mit ihrem Mann eine Affäre habe. Sie konfrontiert Doug damit und verlangt, dass er geht, obwohl sie dann in ihrem Kummer ganz allein ist. Und jetzt, wenn sie dieses Gespräch mit Rhonda hat, fühlt Veronica sich verraten und verlassen, und ich glaube, das ist das Motiv für ihren Satz. Was sie wirklich fragt, ist: Kümmert sich irgendjemand um mich? Gibt es jemanden, der zu mir hält? Wendet sie sich nicht deshalb an Sam?”
George Denk, der junge, schlaksige Polizist aus Thornhill, der Veronicas Ehemann Doug spielte, runzelte die Stirn. “Sie will mich bloß eifersüchtig machen. Sie revanchiert sich für meine Untreue, aber tief in ihrem Inneren will sie mich noch immer. Sie benützt Sam, um mich zurückzugewinnen. Deshalb wirft sie sich dem Plattfuß an den Hals.”
“Ich werfe mich ihm nicht an den Hals”, protestierte Maggie und konnte Kevin nicht ansehen. Sie hätte sich keine Sorgen machen müssen. Kevin betrachtete eingehend seine Schuhe.
Mildred unterdrückte ein Lächeln. “Maggie hat recht. Sie überspielt es nicht. Sie und Kevin treiben ihre Beziehung genau richtig voran. Aber Sie haben recht, wenn Sie es so sehen, George. Als untreuer Ehemann projizieren Sie Ihre eigenen Schuldgefühle auf Ihre Frau.”
“Aber Veronica und Sam werden ein Liebespaar”, zeigte Lydia rasch auf. “Wie immer ihre Motive am Anfang gewesen sein mochten, niemand kann abstreiten, dass sich zwischen den beiden sehr bald eine glühend heiße Geschichte entwickelt.”
Maggie zupfte an einem losen Faden von einem Knopf an ihrer Bluse. Und Kevin widmete sich noch immer angestrengt seinen Schuhen.
Polizeichef Harvey Mead saß ruhig in der letzten Reihe der Grange Hall. Lächelnd betrachtete er seine Frau Mildred, als sie die Darsteller aufmunterte. Als er jedoch seine Aufmerksamkeit auf seine Tochter Maggie richtete, wurde sein Lächeln von einem besorgten Stirnrunzeln ersetzt. Er machte sich Sorgen wegen der Nachricht, die sie gestern mit der Post
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