Die Angstmacher
die Ausgaben für Verwaltung und Abschluss niedriger ausfallen, als der Versicherer sie berechnet hat. Diese Aufteilung gilt seit 2008. Vorher war die Rede von einer »angemessenen« Beteiligung des Kunden. »Beides ist pikanterweise nicht identisch«, kritisiert die Verbraucherzentrale Bremen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hatte den Verbraucherschützern der Hansestadt im Dezember 2005 mitgeteilt, dass sie »angemessen« grundsätzlich als Beteiligung in der Größenordnung von 90 Prozent für den Kunden interpretiere. »Galt früher also eine 10-prozentige Beteiligung der Unternehmen als ›angemessen‹, so liegt die amtlich erlaubte Quote jetzt bei dem Zweieinhalbfachen (!) des früheren Satzes«, kritisieren die Verbraucherschützer. 11
Umgesetzt wurde diese Änderung unter Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Jahr 2008 durch Änderung der »Rückführungsverordnung«. 2008 kam die Branche auf Kostengewinne von 700,6 Millionen, im Jahr 2009 waren es 1,15 Milliarden Euro. Dabei müssen die Gesellschaften nicht einmal alle Kunden gleichbehandeln. Marktführer Allianz gewährt bei Rentenversicherungen mit laufender Beitragszahlung ab einemGarantiekapital von 40 000 Euro eine Kostenüberschussbeteiligung. Nach den gesetzlichen Bestimmungen hat der Versicherer die Kostenüberschussbeteiligung nach einem »verursachungsorientierten Verfahren« durchzuführen, sagt die Allianz. »Da wir die einkalkulierten Kosten überwiegend beitrags- beziehungsweise volumenbezogen erheben, entstehen Kostenüberschüsse durch diejenigen Verträge, die über dem Durchschnittsbeitrag liegen. Damit ist es nur fair, die Kostenüberschüsse vorrangig denjenigen Kunden zukommen zu lassen, die einen überdurchschnittlich hohen Beitrag abgeschlossen haben. Sie bezahlen dann aber immer noch mehr Kosten als ein deutlich kleinerer Vertrag«, sagt Abteilungsdirektor Volker Priebe.
Das bedeutet: Wer kleinere Beiträge an den Versicherer zahlt, bekommt nichts von den Kosten zurück, die von seinen Prämien abgezogen werden. Er hat relativ gesehen also eine höhere Kostenbelastung. Die Bedeutung dieses Verschiebebahnhofs für die Versicherer liegt nicht nur im Finanziellen. Sie eröffnen sich durch die Kostengewinne Gestaltungsspielräume. Denn auf welchem Weg Versicherer Kunden an den Kostengewinnen beteiligen, ist unterschiedlich. Manche schütten sie mit der Überschussbeteiligung aus, andere nicht. Versicherer mit einer hohen Überschussbeteiligung kommen möglicherweise auf diesen Wert, weil sie die Kostengewinne mit einrechnen, zahlen dem Kunden aber unterm Strich nicht mehr als andere mit einer geringeren Überschussbeteiligung.
Vorsorge statt Vergnügen
Um den Bürgern die Kürzung der gesetzlichen Renten schmackhaft zu machen, hat die rot-grüne Regierung 2002 die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge eingeführt. Mit Zulagen und Steuervorteilen werden Verbraucher in fragwürdige Verträge gelockt. Ein gigantisches Geschenk für die Versicherungswirtschaft. Peer Steinbrück, der Finanzminister der auf rotgrünfolgenden Großen Koalition, würde seinem Parteifreund Walter Riester aber nicht aus diesem Grund gern ein Denkmal bauen. In seinem Bestseller Unterm Strich schreibt er, generell müsse der vorsorgende Sozialstaat umsteuern, weg von Geldleistungen für Personen hin zu Infrastruktur- oder Sachleistungen. »Nicht zuletzt werden die Bürger – so unpopulär das auch ist – darauf vorbereitet sein müssen, dass sie selbst für Alter, Pflege und Gesundheit mehr Vorsorge betreiben müssen«, kündigt er an. 12 Ob der Staat dies wie bei der Riester-Rente – »eine Erfolgsgeschichte«, wie Steinbrück meint, für die Walter Riester und seinem Staatssekretär Klaus Achenbach »wenigstens ein Denkmal errichtet werden sollte« – mit einer Förderung unterstützen sollte, sei zweitrangig. Wichtig sei »die Einstimmung der Bürger darauf, dass sie einen Teil ihres Gegenwartskonsums zugunsten von Zukunftsvorsorge reduzieren sollten, wo immer sie dafür Spielräume haben« 13 . Und dann folgt ein Satz, der auch aus dem Werbeprospekt eines Finanzvertriebs stammen könnte: »Das kann die Ergänzung der gesetzlichen Altersversorgung durch ein kapitalgedecktes Verfahren wie die Riester-Rente sein, eine Zusatzversicherung in der Gesundheitsvorsorge, der Erwerb einer kleinen Eigentumswohnung für mietfreies Wohnen im Alter oder eine risikogeschützte Anlage, für die man über Jahre – soweit möglich
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