Die Angune (German Edition)
Unwetter kündigte sich unverhohlen an. Noch immer hatte Cornelia keinen schützenden Unterschlupf gefunden. Es gab wohl viel Geröll am Fuße des Abhangs, aber keiner der Felsbrocken war groß genug um sich darunter zu kauern. Und so ging sie weiter das Tal hinauf.
Die Donner wurden immer lauter und in der Ferne b emerkte Cornelia die ersten Regenschleier. Sie verwischten die dunklen Umrisse der Berge. Ein Blitz erleuchtete eine große Wolke unten im Tal ohne sich vollständig zu zeigen, und kurz darauf donnerte es. Der erste Regentropfen klatschte auf einen Stein.
Fast hätte Cornelia den dunklen Schatten in der Felswand nicht gesehen. Erst beim zweiten Mal entdeckte sie etwas we iter oben eine Steinplatte die aus dem Hang herausragte und vielversprechend aussah. Während sie durch die Geröllhalde hochkletterte, zuckte weiter unten im Tal ein Blitz zwischen mehreren Wolken hin und her, und badete die dunkle Gebirgswelt in ein gespenstisches, violettes Licht. Der Donner, der kurz darauf durch das Tal krachte, ließ Cornelia zusammenzucken. Sie begutachte noch einmal den Stein und stieg weiter hoch. In der Zwischenzeit war sie wiederholt von daumengroßen Regentropfen getroffen worden. Kurz bevor sie unter den Stein kriechen konnte, drehte der finstere Himmel dann alle Schleusen auf. Aber der gewachste Umhang schützte sie vor dem Schlimmsten, und so kam sie doch noch einigermaßen trocken unter den Stein.
Der Hohlraum unter der Steinplatte war hoch genug damit sie gebückt stehen konnte. Sie entschied, den Wachsmantel anzubehalten. Er würde sie gegen die feuchte Kälte schützen. Und den Brotsack wollte sie an der Felswand abstellen, um sich dagegen zu lehnen. Doch es gab keine Felswand! Sie sah bloß einen schwarzen Durchgang der in den Berg hinein füh rte.
› Oh nein! Nicht schon wieder!‹, flehte Cornelia heimlich, als sie das Loch entdeckte. Sie dachte dabei an die blaue Höhle im Ansenbachtal.
Sie hob einen Stein auf, ging hinaus in den strömenden R egen und warf ihn. Aber diesmal prallte der Stein nirgendwo ab. Er flog in die Höhle hinein, fiel auf den Boden und verschwand in der Dunkelheit. Erleichtert kehrte Cornelia in ihren Unterschlupf zurück. Wenigstens diese Höhle war keine Täuschung.
Und auch das Unwetter war keine Täuschung!
Es goss in Strömen. Ein Blitz jagte den andern. Nach einer Weile wurden Blitz und Donner schwächer und entfernten sich, aber der Regen hielt an. Der graue Regenvorhang legte sich über die ganze Bergwelt und verschluckte selbst die größten und mächtigsten Berge. Da zahlreiche Windböen immer wieder Regen unter die Steinplatte hineinjagten, zog Cornelia sich in den dahinter liegenden Raum zurück. Hinter dem Durchschlupf unter der Steinplatte fand sie eine Höhle von Zimmergröße, die trocken war.
Hier lag Cornelia nun und benutzte ihren Rucksack als Kopfkissen. Es war stockdunkel draußen geworden, und die alte Karbid-Grubenlampe der Zwerge erhellte die Höhle zur Genüge. Manchmal zuckte die kleine Flamme bei einem Windstoß hin und her, und ließ vielfältige Schattengeister auf der Höhlenwand tanzen. Aber ansonsten war sie dankbar, dass sie diesen Unterschlupf noch rechtzeitig entdeckt hatte, und in aller Ruhe das Ende des Unwetters abwarten konnte. Blitz und Donner waren vergangen, und das monotone Plätschern des Regens verfehlte seine Wirkung nicht. Cornelia spürte wie die Müdigkeit langsam in sie hineinkroch. Sie löschte die Karbidlampe und schlief sofort ein.
Leise grollte der Berg und Cornelia öffnete die Augen.
Dann grollte der Berg noch ein weiteres Mal.
Angestrengt lauschte Cornelia in die Dunkelheit hinein. Aber es blieb ruhig. Nur das Plätschern des Regens draußen war zu hören. Nach ein paar Minuten drehte sie sich auf die Seite um weiter zu schlafen.
Sie schreckte hoch, als ein Zittern den Höhlenboden durchlief Sie hatte das Zittern ganz deutlich gespürt und setzte sich hoch. Sie tastete in der Dunkelheit herum und fand ihre Karbidlampe. Es gelang ihr mit einem Streichholz das kleine Lämpchen wieder zum Leben zu erwecken. In der Höhle war alles wie vorher, und draußen standen die Himmelsschleusen noch immer weit offen. Cornelia fluchte leise.
Dann zitterte der Höhlenboden wieder.
Doch diesmal war das Zittern stärker. Ein tiefes Donnern durchlief die Höhle. Staub rieselte von der Decke. Cornelia sprang auf und wollte durch den Höhlenausgang nach draußen rennen. Da krachte es schon!
Ein Luftschwall pustete Dreck in die
Weitere Kostenlose Bücher