Die Angune (German Edition)
Verzweiflung an ihn geklammert, und er hatte es letztendlich zugelassen. Er hatte etwas getan was ihm zutiefst zuwider war, etwas, wovor er sich sein ganzes Leben lang gedrückt hatte: er hatte Verantwortung übernommen!
Und jetzt bekam er Angst davor. Auf einmal wünschte er sich, alles wie der rückgängig machen zu können! Er wünschte sich nicht mehr hier zu sein!
Regungslos saß er im Dunkel der Nacht und schickte seine Gedanken in die Vergangenheit zurück. Zurück nach Dunmesa, dem Ort seiner Kindheit.
Siro'Namerg, der Meister der nichtwissenschaftlichen Sachverhalte, hatte oftmals davon geredet wie wichtig es sei, dass sein scharfer Verstand stets die Oberhand behalten musste. Auch wenn er schwitzte, ihm vor Angst fast schwindlig wurde, und sein Magen und Darm ihm zu schaffen machte - sein Handeln musste stets vom Kopf aus gesteuert werden, und nicht von gestressten Körperteilen.
Und der Alte hatte dem impulsiven und sich immer wieder widersetzenden Schüler unaufhörlich eingetrichtert, nur Entscheidungen zu treffen, zu denen er auch stehen konnte.
Chinato'Oral hatte die Augen geschlossen und ließ die Worte seines ehemaligen Mentors auf sich wirken.
Seine Entscheidung, den Zwergen zu helfen, war richtig - sie war damals in Balingan richtig gewesen, und sie war auch hier und jetzt richtig.
Und e r hatte noch immer zu seinen Entscheidungen gestanden! Und auch diesmal würde er zu seiner Entscheidung stehen!
Auch wenn sie sich letztendlich nachteilig auswirken sollte!
Denn seine Etscheidung war richtig!
Und so erhob er sich, suchte einen neuen Hinterhalt ... mitten unter den Karakulen, und wartete auf das Ende der Nacht.
Stunde um Stunde verging. Manchmal döste der im Schneidersitz hockende Waldläufer ein, aber da die sich abl ösenden Bogenschützen der Karawane stets unachtsam daher kamen, schreckte Chinato'Oral immer rechtzeitig aus seinem Halbschlaf auf.
Und immer wieder ging sein Blick zum Himmel empor. Und auf einmal konnte er die Umrisse der Bäume im nächtl ichen Himmel vage erkennen.
In einer halben Stunde würde die Morgendämmerung ei nsetzen!
Und er hatte den Zwergen gesagt, sie sollten in der Mo rgendämmerung angreifen. Ob sie es wohl geschafft hatten, hierher zu kommen?
Auch die Karakule bemerkten, daß die Nacht sich langsam ihrem Ende näherte und die ersten Tiere begannen zu blöken.
Das große Lagerfeuer der Kobolde war niedergebrannt, aber nirgendwo vernahm er eine Bewegung. Es war noch immer ruhig im Lager!
Chinato'Oral erhob sich aus seinem Schneidersitz und ging in die Hocke. Immer wieder ging sein Blick zum Himmel hoch, der noch immer schwarzgrau war. Aber die pechschwa rzen Umrisse der Bäume waren in der Zwischenzeit selbst für ein ungeschultes Auge gut erkennbar. In 20 Minuten würde das Schwarzgrau sich in ein Dunkelblau verwandeln und am Horizont würde ein goldgelber Streifen entstehen.
Spätestens dann mußte etwas geschehen, sonst mußte er verschwinden. Denn dann blieb nur noch eine halbe Stunde Zeit bis Sonnenaufgang. Und bei Sonnenaufgang durfte er nicht mehr im Lager sein.
Aber noch war es nicht soweit. Er mußte die Morgendämmerung abwarten.
Chinato'Oral hockte zwischen zwei Karakulen die von Zeit zu Zeit einen gurgelnden Laut von sich gaben. Vielleicht war es besser, schon jetzt zum Rand des Lagers zu schleichen denn er wußte nicht wann die ersten Kobolde nach den Tieren schauen würden. Oft machten sich Handelskarawanen noch in der Dunkelheit der Nacht bereit.
Doch er zögerte und wartete weiterhin. Er mußte bis zum Morgengrauen warten! Und immer wieder blickte er zum Himmel hoch. Das schwarzgrau verwandelte sich zu einem dunkelblau und im Osten bildete sich ein gelber Streifen am Horizont. Aurora würde bald die Schatten der Nacht verjagen. Doch die ruhenden Karakule waren immer nur noch als schwarze Umrisse erkennbar. Und es blieb ruhig im Lager.
Chinato'Oral wurde nervös und schaute immer wieder zum Wald. Sollte er sich jetzt zurückziehen? Vielleicht waren die Zwerge durch etwas aufgehalten worden? Doch noch hatte die Dämmerung nicht richtig eingesetzt. Er mußte noch ein paar Minuten warten.
Aus dem schmalen hellgelben Streifen am Horizont wurde ein kräftiger orangefarbener Streifen und aus dem dunkelblau über ihm wurde ein helleres Blau.
Noch waren die ruhenden Tiere nur als schwarze Umrisse zu erkennen, aber der schwarze Waldrand verfärbte sich zu einem grauen Orange. Die Blätter warfen den Schein der kommenden
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