Die Angune (German Edition)
schmalen Durchlass herauskamen und in der nächsten dunklen Passage wieder verschwanden. Viele waren mit Buckelkraxen beladen. In den engen Durchgängen des Viertels war dies die einfachste Möglichkeit um Waren hin und her zu transportieren. Wer lose Ware schleppte, benutzte auch geflochtene Buckelkörbe. Und Flüssigkeiten fanden in gedeckelten Holzbutten ihren Platz. Manche Träger hatten zwei Trageriemen um die Schultern liegen, andere liefen mit einem einzigen Trageriemen auf der Stirn herum.
Was ihr aber am meisten auffiel, war, dass niemand sie a nstarrte. In diesem geschäftigen Gewimmel war sie eine von vielen. Niemand gaffte ihr hinterher oder glotzte auf ihren Hintern. Niemand nahm Notiz von ihr, trotz der luftigen Kleidung die sie trug. Einer der Gründe war sicher, dass die Leute alle mit sich selbst und ihrer Tätigkeit beschäftigt waren. Und der zweite Grund war zweifellos die Völkervielfalt in diesem Gewusel. Sie begegnete zahlreichen Elfen mit unterschiedlicher Hautfarbe, aber auch Zwergen oder knochigen Kobolden. Viele andere Gestalten sahen aus wie Mischlinge und waren für Cornelia rassenmäßig nicht einzuordnen. Und alle gingen an ihr vorbei, ohne sich an ihrem roten Haar zu stören.
Das Anormale war hier die Normalität, und diese Tatsache nahm sie mit Genugtuung zur Kenntnis. Ihre Stimmung be sserte sich allmählich und sie fühlte sich dazu ermutigt, tiefer in das Viertel hinein zu gehen.
Durch die Mitte der Gassen schlängelte sich ein Bretterweg. In pfiffiger Weise hatte man den festgetretenen Boden der Gassen im Händlerviertel V-förmig vertieft, und in der Mitte mit Brettern zugedeckt. So konnte man auch bei schlechtem Wetter durch das Viertel gehen ohne mit den Stiefeln im M orast stecken zu bleiben: das Regenwasser floss rasch durch die zugedeckte Rinne ab.
Ursprünglich waren die Häuser in diesem Teil des Viertels ausschließlich mit Steinen erbaut worden. Aber im Laufe der Sonnenumläufe waren immer mehr Holzkonstruktionen an den zwei bis drei Meter breiten Steinhäuschen angefügt wo rden.
Vor fast allen Gebäuden waren überdeckte Auslagen aus Holz errichtet worden.
Im ersten Stock hatten die meisten Häuser kleine Fenster oder verschließbare Luken, und gelegentlich war eine kleine Blume hinter einem Fenster zu erkennen. An fast allen Fassaden war eine Wäscheleine zum gegenüberliegenden Haus gespannt worden. Hier lagen offensichtlich die Wohnungen der jeweiligen Ladenbesitzer.
Im Gegensatz dazu wies der zweite Stock eine große Hol zpforte auf. Darüber war ein Flaschenzug an einem Balken befestigt, der aus der Mauer herausragte und keinen Zweifel daran ließ, dass sich hier die Warenlager der jeweiligen Händler befanden.
An manchen Gebäuden war das Dach abgetragen worden, und ein Bretterverschlag als dritter Stock auf das Haus darauf gesetzt worden. In den schmaleren Seitengassen überspannten diese Bretterverschläge oftmals den freien Raum und machten aus der Gasse einen dunklen Schlupfwinkel.
Die ersten Händler in der Gasse verhökerten in ihren Auslagen allerlei Haushaltskram. Es waren Glaser, Töpfer und Drechsler, die verschiedenste Behältnisse für den Haushalt anboten.
Gleich nebenan boten Zinngießer Tafelgeschirr feil, von Kannen über Dosen, Tellern und Platten bis hin zu Kerze nleuchtern.
Passend zu den Zinnleuchtern saß gegenüber der Kerze nzieher. Er bot preiswerte Kerzen aus Talg für den Haushalt an. Einige Kerzen waren teurer und offensichtlich aus seltenem Bienenwachs gezogen. Sie fanden nur bei den reichen Bürgern von Rinu'usala Verwendung, da sie ohne lästigen Qualm und mit angenehmem Geruch verbrannten.
Auch wenn Cornelia nicht an Haushaltswaren interessiert war, so blieb sie doch kurz beim Glasmacher stehen, dessen Frau ein wunderschönes Nuppenglas in feuchtes Stroh ei npackte und anschließend auf einer Buckelkraxe festband.
Der Tischler, der Holzbänke, -tische und -stühle zum Ve rkauf anpries, führte einen Hobel in seinem Zunftwappen als Zeichen dafür, dass er die Oberflächen aushobelte und nicht beilte, also nicht mit einem Beil plan und eben schlug.
Der Schreiner nebenan stellte nur Truhen, Särge und Schreine her. Da beide einen Stückpreis für ihre Waren au shandelten und nicht wie die Zimmermänner für einen Tagelohn malochten, galten Tischler und Schreiner als feine Handwerker.
Cornelia wanderte weiter und kam an zahlreichen Geschä ften von Webern und Stoffhändlern vorbei, die vom einfachen Bettlaken bis zu
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