Die Angune (German Edition)
großen Leinenballen alles feilboten was an Textilien hergestellt wurde.
Sie studierte nochmals Melissindas Einkaufszettel. Etwas Jutefasergarn und Leinenstoff hatte die Zwergenfrau notiert.
Die Auslagen priesen Ballen aus Barchent, Kattun, Wolle und Leinen an. Cornelia blieb stehen, prüfte die Qualität mit den Fingerspitzen - vor allem die des Leinenstoffs - und ließ die Farben auf sich einwirken.
»Wünschen Sie Stoff zu kaufen?«, fragte eine Frau hinter der Auslage.
Cornelia wollte sich jetzt noch nicht festlegen und weder mit "Ja" oder "Nein" antworten, und wich der Frage aus:
»Haben sie auch Jutefasergarn?«
»Jutefasergarn? Nein!«
Die Frau zeigte mit dem Finger auf das farbig bemalte Holzschild der Zunft der sie angehörte und antwortete halb beleidigt.
»Mein Mann gehört der Zunft der selbständigen Weber an. Für Jutefasergarn müssen sie ins Viertel der Tagelöhner gehen. Dort sitzen die Klöppler, Spinner und Garnzwirner. In dieser Straße hier finden sie nur feine Handwerker die einer Zunft angehören.«
Cornelia nickte etwas verlegen mit dem Kopf.
»Ich habe in der Stadt viele Frauen gesehen die Kleider aus Musselin, Seide oder Chiffon tragen. Wo ...«
Cornelia ließ ihren Blick über die Auslage schweifen.
» ... finde ich solche Stoffe.«
»Um Seide und Seidenchiffon zu kaufen, müssen sie in die Stadt zum Verlagshaus gehen.«
»Zum Verlagshaus?«
Cornelia war sprachlos.
»Sie sind wohl nicht von hier?«, fragte die Frau des Webers neugierig.
»Nein! Tut mir leid! Ich bin fremd in dieser Stadt. Ich bin erst heute Morgen angekommen.«
»Nun, Seide und Seidenchiffons sind teure Stoffe. Genau wie Musseline auch. Nur die Tuchverleger in der Stadt dürfen mit diesen teuren Stoffen handeln. Ihr werdet alle Tuchverleger im Verlagshaus von Rinu'usala finden.«
»Im Verlagshaus! Vielen Dank!«
Cornelia drehte sich um und ging weiter
Stoff im Verlagshaus!
Es war nur eine kurze Unterredung gewesen, die Cornelia mit der Frau geführt hatte, aber sie war sehr lehrreich gewesen. Die Stadt schien eine streng geregelte Gesellschaftsstruktur zu haben, zumindest was den Handel betraf. In der Stadt selbst saßen die Handelshäuser und die reichen Einzelhändler. In den Steinhäusern der Vorstadt machten jene Händler ihre Geschäfte, die einer Zunft angehörten. In den Holzschuppen im benachbarten Viertel hausten die Tagelöhner, Scharwerker und Dachbodenhasen. Und in der Zeltstadt am äußersten Rand weilten die Wandersleute, wie die Feilenhauer, Scherenschleifer, Korbflechter und Flickschneider.
Cornelia ging weiter und konzentrierte sich wieder auf die ausgestellten Waren. Die Frau des Seilers pries die Wäschele inen, Kordeln und Lunten ihres Mannes. Die Bandwirker und Knopfmacher hatten kleine, schmale Auslagen. An den Auslagen der Schneider kam Cornelia nicht vorbei.
Chitons aus Wolle und Baumwolle, kurze und lange Tun iken aus Leinen und Wolle, Kapuzenmäntel und Gugeln aus schwerer, gewachster Wolle, aber auch Blusen und Hemde aus Leinen und Baumwolle mit dünner Kordel am Halsausschnitt, Röcke aus schwerer Baumwolle und bodenlange Gewänder aus Leinen.
Nur die feinen Hemdkleider aus Chiffon mit Singvogelf ederbesatz, die das Elfenmädchen Jíntho'la getragen hatte, fand Cornelia nicht. Hier gab es nur die gröbere Kleidung für Bedienstete und das Gesindel.
Und so ging Cornelia wieder weiter. Sattler und Riemer ließ sie links liegen, denn weiter hinten hatte sie die ersten Ausl agen mit Nahrungsmittel entdeckt.
Käfige waren bis zur Mitte des ersten Stockes übereinander gestapelt und hielten allerlei Vögel und Geflügel gefangen.
Die Auslage eines schmalen Ladens stellte allerlei Fisch zur Schau. Große, fette Karpfen lagen neben den schlangenähnlichen Aalen und ernährten hunderte von Mücken.
Dann kam ein Gemüseladen der ein überraschend großes Angebot an Kohl, Roten Rüben, Zwiebeln, Lauch und Kno blauch verkaufte, und auch etwas Obst hatte, wie getrocknete Weinbeeren, Äpfel, Pfirsiche und Pflaumen.
Der nächste Laden beherbergte eine Unmenge an großen und kleinen Säcken aus Leinen oder Jute. Sie waren mit K ichererbsen, Ackerbohnen, Linsen, Kastanien, Eicheln und zahlreichen Getreidesorten gefüllt.
Der Bäcker bot Semmeln, Brezeln, Laibe, Kringel, Lebk uchen, Waffeln und Oblaten an.
Der nächste Laden war noch etwas breiter und voller Hol zfässer. Hier wurden Biere, vor allem aber Verjus, Weine und Essig dargeboten.
Langsam fing Cornelias Kopf an zu drehen.
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