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Die Angune (German Edition)

Die Angune (German Edition)

Titel: Die Angune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Staedtgen
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Schuss anbringen. Er spannte seinen Bogen und legte den Pfeil an seine Wange.
    Zong! Zong! Zong!
    Dreimal erklang das typische Geräusch einer zurückschnellenden Bogensehne und drei Pfeile bohrten sich in den Körper des Ziparabocks. Der Bock warf den Kopf hoch und riss den Mund auf um zu schreien, doch die durchbohrte Lunge hatte keine Kraft mehr um den Atem auszupressen. Der Bock wurde von den drei Pfeilen, die sich in seinen Körper bohrten, zu Boden gerissen. Er starb dort wo er hinfiel.
    Chinato'Oral hatte nicht ganz begriffen, was geschehen war, aber seine Reflexe waren so gut entwickelt, dass er sich sofort wieder hinter seinem Baum in Deckung brachte und sich flach gegen den Stamm presste.
    »Endlich frisches Fleisch!«
    Eine raue Albenstimme drang von der kleinen Lichtung an sein Ohr.
    Ein Dunkelalb! Ein Hautabzieher!
    Wieso waren hier oben an der Grenze zum Nebelwald Dunkelalben unterwegs?
    Seit vielen Sternenhäusern schon durchstreifte Chinato'Oral regelmäßig diese Gegend und noch nie war er einer anderen Seele begegnet. Angestrengt lauschte er den Geräuschen die von der Lichtung zu ihm herüber drangen.
    »Der Bock hat schöne Hörner. Die nehme ich mir um sie an meinem Schild zu befestigen.«
    »Die Hörner bekommst du nicht! Die nehme ich! Der Bock gehört mir!«
    »Ach ja? Und warum?«
    »Weil ich den ersten Schuss abgegeben habe. Mein Pfeil hat ihn getötet.«
    »Irrtum! Mein Pfeil hat ihn getötet! Ein Schuss direkt ins Herz! Dein Pfeil hat ihm nur die Lunge zerfetzt.«
    Chinato'Oral lehnte sich nach vorn um zu sehen was da vor sich ging. Bei der Jagd trug er stets eine Kopfhaube aus grüngefärbtem Leder um sein langes, glattes, aschegraues Haar zu bedecken. Und das Gesicht hatte er sich mit einer grünen Tarnfarbe beschmiert. Er konnte sich also nicht durch sein Aussehen verraten, sondern nur durch eine schnelle Bewegung. Er spähte langsam und vorsichtig hinter dem mit dicken, langen Moosfäden behangenen Baum hervor.
    Drei Personen standen um den toten Ziparabock: zwei Hautabzieher und ein Weißelf, eine Sonnenraupe.
    Und es waren die beiden Dunkelalben, die beiden Hautabzieher, die sich um die Besitzrechte an dem toten Tier stritten.
    »Der Bock gehört mir! Klar!«
    »Der gehört nicht dir! Warum sollte er?«
    Blitzschnell hatte einer der Dunkelalben einen langen Dolch gezogen.
    »Weil ich dir sonst deinen Hals durchschneide! Klar!«
    »Mann, oh Mann! Habt ihr beide nichts anderes zu tun als euch gegenseitig an die Gurgel zu gehen.«, meldete sich die Sonnenraupe, der Weißelf, zu Wort. »Wir packen das Tier ein und bringen es zum Lager zurück!«
    Der Dunkelalb mit dem Dolch in der Hand starrte die Sonnenraupe an. Deutlich konnte Chinato'Oral die roten, blutunterlaufenen Augen des Hautabziehers sehen. Das lag daran, dass heftige Emotionen und Furore, das heißt aggressives Verhalten, eine extrem hohe Ausschüttung von Stresshormonen bei den Dunkelalben bewirkten, die besonders die Adern in den sonst schwarzen Augen so extrem erweiterten, dass sie platzten.
    »Mann, kühl dich wieder ab!«, sagte die Sonnenraupe ohne den erregten Dunkelalb weiter zu beachten. »Wir sollen auf Befehl des Ih'hsab bloß frisches Fleisch besorgen und uns nicht wegen ein paar wertloser Hörner den Kopf gegenseitig absäbeln.«
    Und damit zog er einen langen Lederstreifen unter seinem Mantel hervor und band dem Ziparabock die vier Füße zusammen.
    »Du trägst ihn!«, befahl er dem ersten Hautabzieher.
    »Trag ihn doch selbst, Sonnenraupe!«, zischte der Angesprochene.
    »Erklär' du es ihm noch einmal!«, wandte sich der Weißelf an den Dunkelalb mit dem Dolch in der Hand.
    Die beiden Dunkelalben funkelten einander an, wobei die blutunterlaufenen Augen des ersten Dunkelalbs immer etwas unsicher zum Weißelf rüber zuckten, so als ob er seine Chancen in einem Dreikampf ausloten würde.
    Dann riss er plötzlich den Mund weit auf und fauchte den anderen Dunkelalb mit entblößten Zähnen wie ein Wildtier an. Chinato'Oral wusste, dass damit die Auseinandersetzung en tschieden war, und der erste Hautabzieher sich in dieser psychologischen Auseinandersetzung mit viel Getöse und Gebrüll geschlagen gab.
    Der Unterlegene hob die zusammengebundenen Füße des Wildtiers auf, während die beiden anderen ihm halfen, den 50 Kilo Brocken zu schultern. Im Gänsemarsch verließen sie die Lichtung und waren bald im Grün des Nebelwaldes ve rschwunden.
    ›Ein Ih'hsab also!‹, dachte Chinato'Oral.
    'Ih'hsab' war ein Titel.

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