Die Angune (German Edition)
aus geflochtenen Silberfäden in der Weite reguliert
»Guten Tag, Vater.«
Teldarmal'Elhap schreckte hoch.
»Guten Tag, Daer.«
Die junge Grauelbe, die leise eingetreten war, war seine Tochter. Eigentlich hieß sie Daermonia, Daermonia'Elhap, doch Teldarmal nannte sie immer nur liebevoll Daer. Die junge Frau war in etwa eine Handbreit größer als er selbst. Das lang nicht daran, dass sie in die Höhe geschossen war. Er selbst war mit 1,67 Schritt kleiner als der Durchschnitt der Grauelben. Grauelben lebten meistens zurückgezogen in Bergzitadellen, die versteckt und schwer zu finden waren. Darum wurden sie von anderen Völkern auch gerne Bergelben genannt, oder als Bergziegen beschimpft. Das Leben im rauen Klima der Vulkanberge hatte die Grauelben abgehärtet und ausdauernder gemacht als andere Elfenrassen. Aber auf Grund der härteren Lebensumstände erreichten sie auch nicht die Körpergröße von anderen Elfenvölkern. Sie waren im Durchschnitt etwas kleiner, und der Trend war noch nicht zum Stillstand gekommen. Während seine Tochter mit 1,75 Schritt als normalwüchsig für eine Grauelbe galt, zählte Teldarmal'Elhap zu den kleineren Grauelben.
»Ich habe dir schon hundertmal gesagt, Daer, du sollst dich nicht so anschleichen. Du erschreckst mich immer!«
»Entschuldigung, Vater, es war nicht meine Absicht dich zu erschrecken.«
Trotz der kleinen Zurechtweisung war der Hochschamane stolz auf seine Tochter. Sie erinnert ihn so sehr an seine Frau. Ihre Hautfarbe war wegen der intensiven Sonneneinstrahlung in den Bergen etwas dunkler. Es war ein dunkelbeige mit dem darunterliegenden rassetypischen grauen Schimmer. Diese natürliche, graubeige Hautfarbe hat sich bei der Jagd in den Bergen als gute Tarnfarbe bewährt. Die langen, braunen Haare waren zu einem einzigen dicken Zopf verflochten, der an der rechten Halsseite entlang auf ihre Brust herabhing.
Nach dem milden Winter erreichte die kurze Zwischenzeit jetzt auch die höher gelegenen Bergregionen und erlaubte den Bewohner der Bergdörfer das Tragen legerer Kleidung. Teldarmals Tochter trug ein einfaches gelbes Gewand mit weiten, schräg zugeschnittenen Ärmel, dessen Ränder mit einer schmalen, zierlichen Brokatborte aus haarfeinen und finsterschwarzen Timoniumfäden abgesetzt waren. Das ärmellose orangefarbene Überkleid aus dem Faden der Seidenraupe war nur über der Brust mit einem Band aus verdrillten Fasern des Flachses geschnürt.
Dies war eine saloppe Haus- und Stadtkleidung. Draußen, am Berg, würde sich Daermonia - wie jede andere Frau der Grauelben auch - eine Lederhose anziehen. Lederzeug war einfach sicherer und bequemer im Gebirge. Hier aber, in der Sauberkeit und Sicherheit der Bergzitadelle, erlaubten sich alle, Männer wie Frauen, das Tragen von zwangloser Bekleidung.
»Du studierst die Weltkarte, Vater? Was bedrückt dich?«
Der Hochschamane kehrte mit den Gedanken zurück in die Menelidische Tundra und zeigte mit dem wippenden Finger auf die Fläche die aus feuerrotem Jaspis hergestellt worden war.
»Ich habe mich gefragt was dies alles zu bedeuten hat.«
»Du meinst die Überfälle auf die Nomadensippen?«
Der Hochschamane nickte zustimmend mit dem Kopf.
»Seit Hunderten von Sonnenumläufen herrscht nun schon Frieden in den bekannten Reichen der zivilisierten Welt. Sicher, es gab immer mal unruhige Zeiten, und manchmal war es ein unsicherer Frieden. Aber es hat immer Ruhe geherrscht. Doch jetzt geschehen diese ... Überfälle ... wie du sagst. Ich befürchte, dass es mehr ist als nur das. Das Auslöschen ganzer Nomadensippen, so wie es seit kurzem geschieht, geht weit über das hinaus, was ich unter einem Überfall verstehe.«
»Ich war noch nie jenseits der Grenze. Gibt es bei den Meneliden etwas zu holen, das die Überfälle motivieren kön nte?«
Der Hochschamane schüttelte den Kopf.
»Es ist eine karge Gegend und die Meneliden sind ein kleines und armes Volk. Humanoid und zivilisiert, ja, aber weder hochgebildet noch reich. Einfach, halt, und doch gesund. Es sind Nomaden, die unaufhörlich mit ihren Polarhirschherden durch die Tundra ziehen und von der Natur und für die Natur leben. Es sind friedfertige Leute. Ich habe in der Vergangenheit ein paar Sippen besucht. Ihre Kinder kann man mit den unseren nicht vergleichen. Ungezogene Bengel mit dreckigen Gesichtern. Sie tragen Kleider mit denen unsere Dienerschaft nicht einmal den Boden wischen würde. Die Kinder treiben Schabernack, balgen und streiten sich. Aber sie
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