Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
Er wollte wissen, warum ich diese Informationen brauchte. Andernfalls würde er sich weigern, sie mir zu überlassen. Ich hielt Joel aus einer gewissen Übervorsicht auf Distanz, weil ich nicht wollte, dass er auf dem Radar des FBI auftauchte. Andererseits hatte ich all die Täuschungsmanöver langsam satt und dachte mir, Joels Perspektive auf die ganze Geschichte könnte vielleicht hilfreich sein. Zumindest rechtfertigte ich es damit vor mir selbst. Außerdem war es schlichtweg so, dass ich jemanden brauchte, bei dem ich mir mal alles von der Seele reden konnte.
Er orderte einen Marker’s Mark, ich einen Dirty Martini. Ich redete. Er hörte zu. Ich breitete die ganze Geschichte vor ihm aus. Und wir hatten schon unsere zweite Runde Drinks intus, bevor ich zum Ende kam.
»Also hatten die Cannibals nichts mit dem Wozniak-Mord zu tun«, sagte er. »Es waren die Latin Lords. Es war dieser Kiko, an dem du so interessiert bist.«
»Genau.«
»Und ich lag falsch, was Ernesto Ramirez betrifft«, fuhr Joel fort. »Du hattest recht. Er hatte tatsächlich Informationen. Er und sein Freund, dieser – wie hast du ihn gleich genannt – Scarface? Sie hatten von Kiko erfahren, dass Wozniak ausgeschaltet worden war, um eine ›Verbindung zu Delroy zu vertuschen‹. Und sie gingen davon aus, dass damit Joey Espinoza gemeint war.«
»Richtig.«
»Joey Espinoza hatte seine Beziehungen zur BBK genutzt, um seinem Exschwager Delroy diesen Getränkeauftrag zu besorgen, der eigentlich Wozniaks Firma zugestanden hätte. Daraufhin schlug Wozniak Lärm. Also wollte Joey die ganze Affäre vertuschen, indem er Wozniak umlegen ließ. Joey wollte seine Verbindung zu Delroy geheim halten.«
»Korrekt.«
»Und weil Joey zu dem Zeitpunkt bereits unter der Beobachtung von Chris Moody stand, gehst du davon aus, dass er einen Partner hatte. Jemand anders hat Kiko für ihn angeheuert. «
»Richtig. Siehst du das nicht genauso?«
»Doch. Vermutlich hast du recht. Besonders weil anschließend auch noch Ernesto umgelegt wurde. Und es ist nur schwer vorstellbar, dass Joey Espinoza das selbst erledigt hat, während er gleichzeitig unter ständiger Aufsicht des FBI stand. Okay, da gab es also noch einen Dritten. Und du denkst dabei vor allem an diesen Charlie Cimino?«
»Er scheint mir am besten zu passen«, sagte ich. »Aber ganz sicher bin ich mir nicht.«
»Und zwar wegen den Ereignissen von gestern Nacht. Weil Charlies Crew diese kleine Guantanamo-Nummer bei dir durchgezogen hat.«
»Richtig. Wobei der springende Punkt ist, dass es meiner Ansicht nach gar nicht Charlies Crew war. Vermutlich hatte jemand anders das Sagen. Jemand, der über Charlie steht.«
»Aber gestern Nacht drehte sich alles darum, Spitzel auszuschalten«, wandte Joel ein. »Es ging weder um Adalbert Wozniak noch um Ernesto Ramirez. Warum wirfst du die beiden Geschichten in einen Topf?«
Ich schüttelte den Kopf. »Irgendwas sagt mir, dass da ein Zusammenhang besteht. Ich meine, jemand aus dieser Clique ist bereit, eiskalt zu töten. Es kann nicht allzu viele Personen geben, auf die das zutrifft. Außerdem scheint sich alles um diese Kommission, die BBK, zu drehen. Charlie Cimino hat mich wegen meinem Interesse an Starlight Catering verhört. Die Schlägertypen haben mich wegen derselben Sache ausgequetscht. Das ist die Firma, der die BBK den Vorzug vor Wozniak gab. Und die Informationen, die Ernesto hatte, drehten sich ebenfalls um Starlight und den Besitzer Delroy. Außerdem war Greg Connolly bereits Vorstandsvorsitzender der Kommission, als Starlight den Auftrag erhielt. Doch«, entschied ich, »da besteht definitiv ein Zusammenhang. Alle Hinweise deuten in die gleiche Richtung. Wer auch immer Greg Connolly getötet hat, hat auch Ernesto und Wozniak auf dem Gewissen.«
»Und er steht in der Hierarchie über Charlie«, fügte Joel hinzu.
»Davon gehe ich aus.«
»Okay«, sagte er. »Also, wer steht über Charlie?«
Das war das Problem. Meiner Ansicht nach gab es nur zwei Personen, die über Charlie rangierten. Die eine war die Stabschefin Madison Koehler. Die andere Gouverneur Carlton Snow.
Beide kamen für mich in Frage. Ich wusste nicht viel darüber, wie der Gouverneur seine Geschäfte handhabte, aber seine Stabschefin – Madison – war in der Regel über alles informiert. Und es war nur schwer vorstellbar, dass die Leute, die Greg Connolly, den ältesten Freund des Gouverneurs, ermordet hatten, das ohne Zustimmung des obersten Chefs getan
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