Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
hatten.
Trotzdem konnte ich das Ganze irgendwie noch nicht so recht glauben. Schließlich redeten wir hier nicht über irgendwelche politischen Manöver. Wir redeten über Mord.
»Es war irgendjemand aus dem inneren Zirkel«, sagte ich, ohne mich festzulegen.
»Und jetzt willst du in diesen inneren Zirkel vordringen.«
»Das hab ich vor.«
»Obwohl du weißt, dass einer von denen ein Mörder ist. Und obwohl du gerade erst dem Tod von der Schippe gesprungen bist.«
»Na ja …«
»Und als ob du nicht ohnehin schon gefährlich genug leben würdest«, knurrte Joel zunehmend gereizt, »willst du jetzt auch noch einen netten, kleinen Plausch mit dem skrupellosesten Killer der härtesten Straßengang der Stadt führen.«
»Vielleicht wurde er bisher nur missverstanden, Joel. Vielleicht verbirgt sich hinter seinem abschreckenden Äußeren in Wahrheit ein süßes, knuddliges Kind, das sich nach einer Umarmung sehnt.«
»Klar, vielleicht könnt ihr beide ja zusammen ein Eis essen gehen.« Die dritte Runde traf ein. Joel nahm einen ordentlichen Schluck von seinem Scotch. Ich war bei meinem dritten Martini angelangt. Mein Kopf und mein Nacken fühlten sich schon viel besser an.
Wir schwiegen eine Weile. Vermutlich hatte Joel ein schlechtes Gewissen wegen alldem. Schließlich war er der Ermittler im Almundo -Fall gewesen, und ihm waren ein paar wesentliche Dinge entgangen. Doch ich konnte ihm deswegen keinen wirklichen Vorwurf machen. Bei den wenigen Informationen, die wir damals hatten, wäre es ziemlich schwierig gewesen, all das ans Tageslicht zu befördern. Aber ihm war das wohl kaum ein Trost. Joel rühmte sich, dass ihm nie etwas Wesentliches entging.
»Also«, sagte er, »für wen tust du das alles – etwa für Adalbert Wozniak?«
»Nein, ich tu’s für Ernesto Ramirez. Er musste sterben, weil ich sein Nein nicht als Antwort akzeptierte. Damit habe ich irgendjemanden nervös gemacht, und Ernesto musste den Preis dafür bezahlen. Eine wunderbare junge Frau ist jetzt Witwe, und zwei kleine Kinder haben keinen Vater, weil ich ihm Informationen abtrotzen wollte und ihn das in irgendjemandes Augen zur Gefahr machte.«
Joel schüttelte den Kopf.
»Und vielleicht tu ich’s auch, weil der Mörder von Greg Connolly für seine Tat bezahlen soll. Ich meine, Greg wusste von mir. Er wusste, dass ich ein Informant war. Trotzdem hat er meinen Namen nicht preisgegeben. Sie haben ihn gefoltert, und er hat mich nicht verraten. Ich schulde ihm was, Joel. Und überhaupt, diese Arschlöcher dürfen einfach nicht ungestraft davonkommen.«
Joel zögerte eine Weile, bevor er seine abschließende Schlussfolgerung zum Besten gab. »Du«, erklärte er bedächtig, »bist komplett durchgeknallt.«
»Mit diesem Urteil stehst du nicht allein.«
»Kiko ist der Übelste der Üblen.«
»Ich habe gegen Straßengangs ermittelt, Joel. Ich weiß alles über diesen Kerl.«
Er kippte den Rest seines Maker’s Mark. »Und jetzt willst du an seine Tür klopfen, dich vorstellen und ihm erklären: ›Ich weiß, Sie haben zwei Leute umgebracht, und mir ist bekannt, dass Joey dahintersteckt, aber könnten Sie mir bitte noch sagen, wer Joeys Partner war‹? Klar doch, klingt nach einem verdammt guten Plan, den du da hast. Du bist tot, bevor du auch nur Hallo gesagt hast.«
»Das Leben birgt nun mal Risiken.«
»Das Leben birgt nun mal Risiken? Das Leben birgt nun mal Risiken«, sagte Joel zu der Kellnerin, die sein leeres Glas bemerkt hatte und an unserem Tisch vorbeikam. »Ich denke, Riley und ich werden da intervenieren müssen.«
»Du übertreibst«, sagte ich.
»Vielleicht tu ich das«, stimmte er zu. »Aber weißt du, was ich auf keinen Fall tun werde? Dir Kikos beschissene Adresse geben.«
Da es unhöflich von mir gewesen wäre, Joel allein weitertrinken zu lassen, machte ich meinem Martini rasch den Garaus.
»Joel, ich muss da was in Ordnung bringen. Der Tod dieses Mannes geht auf meine Kappe.«
»Nein, geht er nicht. Du hast einfach nur deinen Job erledigt. «
»Gib mir Kikos Adresse, Lightner. Ich will sie nicht aus dir rausprügeln müssen.«
Lightner verstummte. Seine Augen wurden schmal und musterten mich mitfühlend. Ich kannte diesen Blick. Und ich mochte ihn überhaupt nicht.
»Jason, ich weiß nicht, wie ich es dir sonst sagen soll.«
»Wie wär’s, wenn du es sagst, nachdem ich die Bar verlassen habe. Ich brauche einfach nur eine Adresse, Joel. Ich brauche keine Standpauke.«
»Doch das brauchst du, mein Freund.
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