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Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust

Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust

Titel: Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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Verfassung. Ich trug ihr ein Gedicht vor, das ich in der Grundschule auswendig gelernt hatte: »Es war einmal ein Würmchen, das klettert auf ein Türmchen, da kam ein Stürmchen, da flog das Würmchen vom Türmchen«. Ich trug sie auf den Schultern, in meiner Armbeuge, schaukelte sie im Sitzen auf den Beinen. Ich versuchte es mit ein paar Songs, die ich kannte. »Catch« von The Cure. »The Riddle« von Five for Fighting. »Verdi Cries«, von den 10,000
Maniacs. Alle nicht unbedingt passend, aber langsam und tröstlich, wenn man sie richtig sang. Hätte ich nur eine Spur Gesangstalent besessen, hätte es vielleicht funktioniert, aber das hatte ich nicht; und auch meine Stimme an sich schien keinerlei beruhigende Wirkung auf sie zu haben. Worin letztendlich das eigentliche Problem lag. Nicht, was ich sagte oder tat, war ausschlaggebend, sondern der Umstand, dass ich es war und nicht Talia.
    Doch dann geschah es; ihr ging einfach die Puste aus. Ihre Augenlider flatterten, und sie schlief ein, ihr Köpfchen in meine Armbeuge gebettet. Sie sah aus wie ihre Mutter, mit ihren mandelförmigen Augen, der winzigen Nase und den vollen Lippen. Friedlich schlummernd hatte sie außerdem Talias sanfte Ausstrahlung.
    Zeit verging. Ihr kleiner warmer Körper hob und senkte sich, kurze Atemstöße entwichen ihrem Mund. Ich konnte meine Augen nicht von ihr lassen. Bis sie mir irgendwann zufielen.
    Zwei Stunden verbrachten wir so, gemeinsam schlafend auf der Couch. Ich wurde von ihren Bewegungen geweckt und erlebte einen kurzen Moment der Panik, als mir klar wurde, dass ich mit ihr in den Armen gedöst hatte, was keine gute Idee war. Außerdem war mein Kopf im Schlaf nach vorne gesackt und als Belohnung hatte ich jetzt einen steifen Nacken.
    Sobald Emily bemerkte, wer sie hielt, ging der Horrorfilm von neuem los. Obwohl ich kaum die Augen offen halten konnte, versuchte ich sie mit Koseworten einzulullen, was noch nie in meinem Leben bei irgendeiner Frau funktioniert hatte; warum sollte es also ausgerechnet jetzt funktionieren.
    »Ich nehme sie.« Talia stand im Flur, blickte ins Wohnzimmer und auf uns beide. »Du brauchst Schlaf.« Ihr Haar war
völlig verstrubbelt, und auf ihrer rechten Wange war der Abdruck ihres Kissens zu erkennen.
    »Du brauchst ihn noch dringender«, stellte ich fest. Ich hatte keine Ahnung, wie sie überhaupt hatte aufwachen können, bei ihrem Stadium von Schlafentzug.
    Emily stieß ein wildes Geheul aus, als sie die Stimme ihrer Mutter hörte, aber kaum hatte Talia sie gekonnt aus meinem Schoß gehoben, da verstummte sie schlagartig, wie ein Wecker, bei dem man die Schlummertaste drückt.
    »Keinen Schimmer, wie man das macht«, gab ich zu.
    Talia küsste Emily auf die Stirn und bettete dann ihren Kopf in die Halsbeuge. »Sie kennt dich einfach noch nicht, das ist alles. Aber das kommt noch.« Sie legte ihre Hand auf meine Wange. »Das kommt noch, Jase.«

8
    Am nächsten Morgen verließ ich das Haus in der Annahme, dass am Freitag die Verhandlung vorzeitig vertagt würde und ich bereits gegen fünf Uhr nachmittags mit Talia und Emily zu ihren Eltern starten konnte. Für den Abend war Regen vorhergesagt, wie Talia mir mitgeteilt hatte, also umso besser, je früher wir fuhren.
    Die Verhandlung wurde sogar noch zeitiger beendet als erwartet. Chris Moody war mit Joey Espinoza erneut die Bandaufzeichnungen durchgegangen, wobei er immer wieder unterbrach, um Joey zu fragen: »Hat sich diese Stelle für Sie so
angehört, als würde der Angeklagte scherzen? Klang das für Sie nach Ironie?« So in dieser Art. Im Gegenzug strich ich heraus, dass Joey gestern im Kreuzverhör ausgesagt hatte, sie hätten häufiger ihre ironischen Aussagen missverstanden – wie könne er also jetzt mit Bestimmtheit sagen, ob Hector scherzte oder nicht? Meine Einwürfe lenkten Chris Moody so ab, dass er die Befragung schließlich beendete und sich dafür entschied, seine Stellungnahme im Schlussplädoyer abzugeben.
    Als Chris Moody sich setzte, sah er furchtbar aus. Er hatte vermutlich eine harte Nacht hinter sich. Die Glaubwürdigkeit seines Hauptzeugen war beschädigt, und er konnte nicht viel tun, um ihn zu rehabilitieren. Dieser Fall war für ihn viel wichtiger als für irgendjemanden sonst im Gerichtssaal, von Hector einmal abgesehen. Das hatte ein krönender Abschluss für ihn werden sollen, bevor er in eine renommierte Anwaltskanzlei wechselte; und zwar nicht als Juniorpartner wie ich, sondern gleich als Teilhaber, um dann das

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