Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
Es ist ein Teufelskreis von Verbrechen, Gefängnis, Entlassung; Verbrechen, Gefängnis, Entlassung. «
Der Anwalt hielt inne und blickte erneut auf seine Notizen. Ich wünschte, er würde das nicht tun. Er hätte sich besser vorbereiten sollen. Wenn man auf seine Notizen schaut, büßt man immer etwas von seinem Elan ein, von seiner innersten Überzeugungskraft und der Verbindung zum Zuhörer.
»Also, was tun wir? Wir bauen mehr Zuchthäuser. Wir erlassen härtere Gesetze. Aber resozialisieren wir die Menschen auch? Gut, wir versuchen es vielleicht. Zumindest glaube ich das. Wir geben der Gefängnisbehörde mehr Geld für Rehabilitationsprogramme. Aber wir wissen alle, dass wir im Moment große Budgetprobleme haben. Und wo wird als Erstes gespart? Nicht schwer zu erraten. Und deshalb, Herr Gouverneur, ist jemand wie Antwain Otis so wichtig.
Antwain rehabilitiert Menschen. Er zeigt Inhaftierten einen neuen Weg. Ein paar dieser Gefangenen werden das System nie wieder verlassen, das ist wahr. Sie sitzen im Todestrakt oder verbüßen lebenslange Haftstrafen. Aber zählen sie deshalb nicht? Doch, das tun sie, denn wir sind keine unmenschliche Gesellschaft. Aber noch bedeutsamer ist, Herr Gouverneur, dass viele Menschen, die Antwain erreicht, einen neuen Weg zurück in die Gesellschaft finden. Und diesmal sind sie vorbereitet. Wir haben die Lebensläufe einer Reihe ehemaliger Straftäter vorliegen, die nicht wieder straffällig wurden. Sicher sind sie keine Aufsichtsratsvorsitzenden bei Großkonzernen geworden, aber sie arbeiten hart für ihren Lebensunterhalt, und sie leben ein Leben mit Jesus als ihrem Erlöser. Lassen Sie Antwain noch mehr Menschen helfen, Herr Gouverneur. Antwain Otis wird sein ganzes Leben im Gefängnis verbringen als Strafe für die Verbrechen, die er begangen hat. Und er wird das Leben von unzähligen anderen Menschen zum Guten verändern, wenn Sie ihn leben lassen.«
Ich war davon ausgegangen, dass alle vier sprechen würden, aber offensichtlich gab es nur noch einen weiteren Redner, einen ganz in Schwarz gekleideten Afroamerikaner mit einem Priesterkragen. Er war älter und wirkte schon leicht gebrechlich, doch als er sich erhob, war seine Stimme kraftvoll und überraschend gebieterisch.
»Herr Gouverneur, ich habe mein Leben damit verbracht, Menschen in Rechtsfragen zu beraten und ihnen das Evangelium zu predigen. Inzwischen habe ich seit dreißig Jahren mit dem Strafvollzugssystem zu tun. Und dabei habe ich ein paar Dinge bewirkt. Zumindest hoffe ich das.« Er breitete die Hände aus. »Diese jungen Männer, die ich täglich vor mir sehe, sind heimgesucht. Sie werden gepeinigt und verfolgt von dem, was sie getan haben, und von dem, was man ihnen angetan hat. Und in mir sehen sie jemanden, der ein ganz anderes Leben geführt hat als sie. Was aber erblicken sie in Antwain? Sie erblicken sich selbst. Ja, Sir, sie sehen sich selbst. Was Antwain ihnen sagt, ist: ›Ich war auch an diesem Punkt. So wie ihr. Ich habe dieselben Fehler begangen. Vielleicht sogar noch schlimmere. Und seht, wie ich mein Leben verändert habe‹. Gouverneur, es gibt nichts Beeindruckenderes für einen jungen schwarzen Mann, als jemanden zu sehen, der ihm gleicht, der ebenso wenig besitzt wie er selbst und der trotzdem etwas daraus gemacht hat. Etwas Positives. Ich werde jetzt nicht mit Ihnen über die Bibel reden. Ich könnte natürlich. Ich könnte Ihnen erklären, dass die Todesstrafe unmoralisch ist, unfair, gegen Gottes Willen. Ich könnte zwanzig Verse aus der Heiligen Schrift zitieren, in denen es um Hilfe für eingesperrte, gefangene Menschen geht. Doch ich will Ihnen nur eines sagen, etwas, das ich auch diesen Gefangenen immer wieder sage. Ich sage zu ihnen: ›Schaut nicht zurück. Schaut nach vorn.
Ihr könnt das Gestern nicht mehr ändern, aber ihr könnt das Heute und das Morgen verbessern‹. Und genau darum bitte ich Sie, Herr Gouverneur. Blicken Sie nach vorn. Ich weiß, dass Antwain …«
Er hielt inne, Gefühle schnürten ihm die Kehle zu. Im Raum herrschte absolute Stille. Das Ticken der Uhr an der Wand klang wie das Schlagen einer Glocke.
Der Mann hob sein schneeweißes Haupt. »Gouverneur, ich kenne diesen jungen Mann. Ich liebe und respektiere ihn wie kaum jemanden in meinem Leben. Und diesen jungen Mann zu töten? Ihn zu töten wäre nur ein weiteres … ein weiteres Verbrechen.«
Über eine Minute lang sagte niemand etwas. Schließlich legte der Anwalt dem Priester eine Hand auf die Schulter
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