Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
mit einem Fragezeichen versehen. Die Seite »Gesetzentwurf zum Paragraph 100« betraf das Abtreibungsgesetz und den Vorschlag des Gouverneurs, im Austausch für ein Veto Geld von Abtreibungsbefürwortern zu fordern. Das war die einzige Liste, auf der Gouverneur Snows Name auftauchte. Das war auch das Einzige, was sie gegen Snow in der Hand hatten, wobei es in diesem Fall bisher noch zu keinerlei kriminellen Handlungen gekommen war.
Ich hörte förmlich Christopher Moodys hungrigen Magen knurren. Er wollte den Gouverneur. Aber er hatte nichts gegen ihn in der Hand. Noch nicht.
Ich hatte so eine vage Ahnung, was im Moment bei der US-Staatsanwaltschaft ablief. Sie wollten es mir nicht verraten, aber ich war mir ziemlich sicher, dass Christopher Moody, nachdem er das Tape gehört hatte, auf dem der Gouverneur die Erpressung der Abtreibungsbefürworter vorschlug, sofort Durchsuchungsbefehle und Abhörmaßnahmen beantragt hatte. Es war nicht einfach, das Büro von jemandem zu verwanzen oder sein Telefon abzuhören, also jemanden
ohne sein Wissen zu belauschen. Wenn ein Beteiligter zustimmte – so wie ich, wenn ich den FeeBee trug –, war die Genehmigung in der Regel rasch zu kriegen. Aber bei einem Lauschangriff ohne Einwilligung waren die Bestimmungen äußerst scharf. Möglicherweise war Chris Moody gerade in diesem Augenblick in Washington D. C., um seinen Fall diversen Stellen im Justizministerium vorzutragen und die Zustimmung für einen Lauschangriff auf den Gouverneur, Madison Koehler, Brady Mac und die anderen einzuholen, um anschließend ihre Büros und womöglich sogar ihre Privatwohnungen zu verwanzen. Vermutlich würde im Zuge dessen schon sehr bald der US-Justizminister — ironischerweise Carlton Snows Vorgänger Gouverneur Lang Trotter – den Aufzeichnungen lauschen, die ich vom Gouverneur gemacht hatte.
Die Dinge entwickelten sich rasant. Aller Voraussicht nach würde das FBI die Verhaftungen vornehmen, bevor George Ippolito seinen Sitz im Obersten Bundesgericht des Staates einnehmen konnte. Und vermutlich würden sie aus Rücksichtnahme – die ich allerdings eher Moodys Vorgesetzten zuschrieb als ihm selbst – Gouverneur Snow noch vor den Vorwahlen auffliegen lassen, da die Wähler ihn sonst möglicherweise für die Parlamentswahlen nominieren würden. Wie auch immer, schon bald würden der US-Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen wesentlich mehr Waffen zur Verfügung stehen als nur meine Person. Sie würden alle möglichen Unterhaltungen belauschen, die mir verborgen blieben.
Die Frage war nur, ob »bald« bald genug war. Falls die Vorwahlen und die Berufung Ippolitos tatsächlich die Stichtage für das FBI waren, dann mussten sie jetzt ordentlich Dampf
machen. Ich hatte keine Ahnung, wie lange genau es dauerte, eine Zustimmung zu einem Lauschangriff zu erhalten, immerhin musste das von verschiedenen Ebenen im Justizministerium sowie vom Obersten Bundesbezirksrichter unserer Stadt abgesegnet werden. Fünf Tage? Zwanzig? Vielleicht blieb ihnen nicht genug Zeit? Womöglich war ich dann doch noch etwas länger ihre einzige Informationsquelle.
»Ich werde mein Bestes tun, um diese Themen zur Sprache zu bringen«, versicherte ich. »Aber aus nachvollziehbaren Gründen lässt es sich nicht erzwingen.«
»Mir ist aufgefallen, dass Sie im Beisein Ihres ehemaligen Klienten Senator Almundo diese Themen bewusst vermeiden«, sagte Moody, wobei weißes Rauschen die Pausen zwischen seinen Worten akzentuierte.
Richtig. Wie zu erwarten, war Moody nicht entgangen, dass Hector mich nach meinen Plänen gefragt und ich ihn abgewimmelt hatte.
»Die Betonung liegt auf ›ehemalig‹«, fuhr er fort. »Sie sind ihm nichts schuldig.«
»Ich bin da nicht der Einzige«, bemerkte ich. »Niemand scheint mit Hector über diese Dinge zu reden. Außerdem – es könnte leicht etwas rachsüchtig wirken, wenn Sie Hector erneut anklagen, Chris.«
»Ist das Ihr Problem oder meins?«
»Hector ist nur ein Mitläufer. Der Gouverneur hat ihn gern in seiner Nähe, aber er ist keiner der führenden Köpfe. Verdammt, er war nicht mal der führende Kopf damals in seinem Senatorenamt. Ihr guter Freund Joey Espinoza hat im Büro des Senators die Strippen gezogen. Erinnern Sie sich?«
Lee Tucker verzog das Gesicht und fuhr sich mit gestrecktem Finger quer über die Kehle. Abbruch. Keine gute Idee.
Vermutlich hatte er recht. Und wir waren ohnehin am Ende. Ich hatte nur einfach keine Lust, mich von Chris Moody darüber belehren zu
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