Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
braunen Dienstgebäude in der Innenstadt verdankten. Scarface hatte zwar Moodys Namen nicht genannt, aber der Sprung war nicht weit. Denn natürlich wurde der Hauptankläger im Almundo -Prozess irgendwann hinzugerufen, sobald klar war, dass Ernesto und Scarface wichtige Informationen darüber besaßen. Und die Drohungen, die Scarface beschrieben hatte? Sie trugen nur allzu deutlich Moodys Handschrift.
Moody starrte über die Brücke hinweg ins Leere. Seine Haltung wirkte angespannt und verteidigungsbereit, als stünden wir kurz vor einem körperlichen Schlagabtausch.
»So ist es nicht gelaufen«, sagte er. »Das Wort eines Schwerverbrechers mit einem Vorstrafenregister, so lang wie mein Schwanz, steht gegen das eines hochdekorierten Beamten der US-Staatsanwaltschaft.«
Offensichtlich hatte Moody schnell ein paar Berechnungen angestellt. Seinem ersten Impuls zu folgen – abzustreiten, dass dieses Gespräch je stattgefunden hatte – würde nicht funktionieren wegen der internen Aufzeichnungen des FBI und wegen der anderen Agenten, die der Befragung unzweifelhaft beigewohnt hatten. Also entschied er sich für eine andere Lösung — zuzugeben, dass das Treffen stattgefunden hatte, allerdings nicht so, wie Scarface es beschrieben hatte. Was sein Wort gegen das von Scarface betraf, hatte er wohl recht; trotzdem hatte er ein Problem. Andere Agenten waren an der Unterhaltung beteiligt gewesen. Irgendjemand hatte die Aufnahmebefragung durchgeführt und Moody erst später dazugeholt, als die Sache von Belang zu sein schien. Moody hatte die Situation höchstwahrscheinlich an sich gerissen und
darauf bestanden, dass die beiden Zeugen logen; vielleicht hatte er sogar alle anderen vor die Tür geschickt, bevor er Ernesto und Scarface gedroht hatte. Trotzdem, angesichts der nachweislichen Richtigkeit von Scarfaces Aussagen würden sich die übrigen Agenten rückblickend vermutlich an Moodys Vertuschungsversuche erinnern. Es bedurfte lediglich eines begründeten Hinweises an den Disziplinarausschuss, um eine Untersuchung einzuleiten, bei der alle zu diesem Vorfall befragt würden. Nicht zu vergessen die Möglichkeit, dass Moodys Verfehlungen Gegenstand einer strafrechtlichen Verfolgung werden konnten. Das mochte vielleicht etwas weit hergeholt klingen, aber es waren schon weit seltsamere Dinge geschehen.
Moody saß in der Klemme, und wir beide wussten das. Seine einzige Rechtfertigung vor dem Disziplinarausschuss wäre, dass er an der Glaubwürdigkeit der Informationen gezweifelt hätte und es ihm daher nicht notwendig erschienen wäre, sie gegenüber Hectors Verteidigungsteam zu erwähnen. Da es sich jedoch als die Wahrheit erwiesen hatte, würde dieses Argument nicht ziehen. Und Moody hätte ohnehin bereits verloren angesichts der öffentlichen Wirkung einer solchen Debatte. Ein US-Staatsanwalt hält Beweise in einem großen öffentlichen Korruptionsfall zurück? Ein Fall, den er verloren hat? Er hat geschummelt und trotzdem verloren?
Das war so ziemlich das Allerletzte, was er wollte. Er wollte aus dieser Geschichte als strahlender Sieger hervorgehen, der den Gouverneur und seine Handlanger schmutziger Machenschaften überführt hatte – und anschließend in irgendeine noble Anwaltsfirma wechseln, um dort das richtig große Geld zu scheffeln. Er wollte keine hässliche Klage wegen ethischen Missverhaltens, die seinen großen Moment befleckte.
Gar nicht zu erwähnen, was geschehen würde, wenn ich, der zukünftige Starzeuge in einem großen politischen Korruptionsprozess, eine Klage gegen Moody einreichte – möglicherweise würde man ihm den Fall sofort entziehen. Womit ihm der krönende Abschluss seines großen Meisterwerks versagt bliebe. Er müsste von der Reservebank aus zusehen, wie jemand anders den Erfolg einheimste. Für Moody wäre das vermutlich das Allerschlimmste.
»Also, was wollen Sie?«, fragte er. Seine Haltung wirkte auf einmal schlaff.
Ich atmete aus und bemerkte erst in diesem Moment, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Ich war mir nicht sicher gewesen, ob er diese Worte tatsächlich aussprechen würde. Ein kleiner Teil in mir hatte gewünscht, er täte es nicht. Der wesentlich größere Teil in mir wusste, er würde es tun.
»Sie wollen die Freiheit«, beantwortete er seine eigene Frage. »Die Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte.«
Hatte Moody Scarface geglaubt und seine Aussage bewusst verheimlicht? Ich wusste es nicht und würde es auch nie herausfinden. Aber eines stand
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