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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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nicht, also wollte ich auf die Straße springen, doch er hielt mich fest. Zum Glück, denn in diesem Moment rauschte ein Laster an uns vorbei. Ich wäre platt gewesen, wenn ich ausgestiegen wäre.
Der Schreck brachte mich zur Besinnung. Ich zitterte und versuchte dennoch, meine Stimme unter Kontrolle zu bekommen. Während ich ihn wegschob, wich ich seinem Blick aus. »Was oder wer sind Sie? Was haben Sie getan?«
Er ließ meine Hand los, die war ganz kalt, das war mir vorher überhaupt nicht aufgefallen. »Ich habe Ihr Leben gerettet, mehr nicht.«
»Und meinem Hund?«
Er zögerte. Ich sah, wie seine Augen über das Feld schweiften, an dessen Rand das Auto stehengeblieben war. Schließlich zuckte er mit den Schultern. »Dem auch.«
»Und wieso sehen Sie auf einmal so schrecklich aus? Was ist mit Ihnen los?«
»Das frage ich mich auch.« Er drehte sich wieder zu mir. »Sehen Sie mich an«, forderte er. Ich schaute zögerlich zu ihm. Er hatte einen seltsamen, leeren Blick. »Was sehen Sie?« Seine Stimme klang eindringlich.
»Ich weiß nicht. Sie sehen anders aus, anders als andere Menschen. Wie mein Hund.«
Er lachte leise, als ich ihn mit Kaspar verglich.
»Ich meine, nicht vom Körper, sondern vom Inneren«, fügte ich schnell hinzu. »Wie schon gesagt: leer.«
»Warum haben Sie das nicht schon gesagt, als ich auf die Tankstelle kam?«
»Weil ich es vorher nicht bemerkt habe. Erst seit gestern. Und ich träume Dinge, die in Erfüllung gehen.«
Er runzelte die Stirn. »Was für Dinge?«
»Ich habe geträumt, dass mich mein Freund schlägt und dass das Mädchen tot im Bach liegt.«
Er starrte auf das Armaturenbrett. »Seit dem Unfall?«
»Ja, seit dem Unfall.«
Er schwieg lange.
»Was ist mit mir passiert?«, fragte ich. Ich hatte Tränen in den Augen. »Sie sind ein normaler Mensch und ich sehe nur Gespenster. Richtig? Werde ich verrückt? Habe ich eine Hirnverletzung davongetragen?«
    Ich konnte durch den Schleier, den die Tränen in meinen Augen verursachten, erkennen, wie er mit sich rang.
»Bitte, helfen Sie mir?«, schluchzte ich.
»Ich weiß nicht, was mit dir ist, Moona«, sagte er plötzlich. »Ich habe keine Ahnung, warum du diese Dinge siehst und träumst, ich weiß es wirklich nicht. Aber du hast Recht. Ich bin ein Dämon.« Er zögerte kurz. »Ich bin ein Vampir.«
Ich hätte ihn nicht erstaunter anschauen können, wenn er gesagt hätte, er sei ein Mörder, oder ich tatsächlich wahnsinnig. Aber dass er sich als Grabflüchter zu erkennen gab, das kam gänzlich unerwartet.
»Ein Vampir?«
»Ja.«
»Ein echter, richtiger?«
»Ja.«
»Und wieso kommen Sie nach Mullendorf? Kommst du hierher?«, korrigierte ich mich schnell, da er mich ebenfalls geduzt hatte.
»Es gab ein paar unschöne Dinge, die ich in Berlin zurücklassen wollte. Aber keine Morde oder ähnliches«, fügte er schnell hinzu.
»Und wieso siehst du so anders aus? Ich dachte immer, man kann Vampire nicht von Menschen unterscheiden. Das heißt, im Fernsehen. Ich habe vorher noch keinen gesehen.«
»Das dachte ich auch, und bisher hat mich auch noch niemand als ›seelenlos‹ oder ›leer‹ bezeichnet. Ich hab keine Ahnung, wieso du mich so siehst.«
»Bin ich vielleicht auch ein Vampir?« Ich saß stocksteif im Auto. »Ich war tot und du hast mich umgewandelt?«
Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, du warst lebendig, jedenfalls noch ein bisschen. Ich habe dir mein Blut gegeben, deshalb bist du so schnell genesen. Das hat unser Blut so an sich.«
»Daher die verheilten Brüche?«
»Ja.«
»Und Kaspar?«
»Der war wirklich tot, es tut mir leid. Er ist jetzt ein Vampirhund, wenn es demnächst ausgeblutetes Wild in Mullendorf gibt, dann war er das.«
»Oh, Gott. Aber er vergreift sich nicht an Menschen?«
»Nein, das machen nur Vampire, die vom Menschen abstammen.«
Er beugte sich plötzlich zu mir und nahm meine Hand. »Moona, du darfst das niemandem sagen. Bitte. Sie werden mich sonst abtransportieren und in eines der Reservate bringen. Dort werden wir umgebracht.«
»Ich sage es niemandem. Hast du das Kind getötet?«
Er sah mich beschwörend an. »Nein, das musst du mir glauben!«
»Gut.«
    Gerade wollte ich den Wagen wieder starten, als mir noch mehr einfiel, was ich ihn fragen wollte. Da hatte ich wahrhaftig einen echten Vampir bei mir sitzen, das musste ich unbedingt ausnutzen. »Wie alt bist du wirklich?«
»Einhundertdreiundsiebzig.«
»Woher stammst du?«
»Aus einem ähnlichen Nest wie Mullendorf, nur dass damals alles noch

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