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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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nicht von mir.« Ihre Stimme wurde verschwörerisch. Ich konnte hören, wie sie die Tür schloss. Und das Fenster. »Der Bürgermeister hat auch ein Alibi. Er war in Gallburg im Bordell«, flüsterte sie.
»Oh nein«, stöhnte ich. Das waren Dinge, die ich über meinen Chef lieber nicht wissen wollte.
»Es gibt zwei Frauen, die bestätigen, mit ihm zusammen gewesen zu sein.«
»Auch noch zwei.«
»Die dritte hatte heute frei.«
»Hör auf, ich will es nicht wissen.«
»Aber damit kannst du aufatmen, was deinen Freund, den Arzt, betrifft. Er ist kein Mörder.«
»Nein, ist er nicht.«
»Wo steckst du? Du bist so einsilbig.«
»Ich bin gerade im Wald.« Ich konnte ihr von dem Zeitungsfund nichts erzählen, ohne womöglich Roberts Geheimnis zu verraten.
»Mit ihm?«
»Ja.«
»Alles klar. Ich finde ihn ein bisschen zu alt für dich, aber wenn du denkst … Da er kein Mörder ist, hast du meinen Segen.«
»Danke«, erwiderte ich. Dann legten wir auf.
»Du warst es nicht«, sagte ich zu Robert.
»Ich weiß. Fragt sich nur, wer es wirklich war.«
Ich nahm die Zeitung zur Hand. »Vampire?«
Er schüttelte den Kopf. »Wenn die Leiche noch ihr Blut besaß, war es ein Mensch. Jemand aus dem Dorf vielleicht.«
»Aber wer? Und warum?«
»Keine Ahnung.«
Wir gingen zurück zum Auto.
»Willst du immer noch wegfahren?«
Er schwieg. Erst als wir uns ins Auto setzten, antwortete er. »Es wäre besser für mich und für dich und das Dorf, glaube mir.«
»Warum? Denkst du, die AVEKs kommen hierher? Niemals.«
»Die wären euer kleinstes Problem.«
»Was meinst du?«
Ich fuhr los.
Er winkte ab. »Nichts.« Danach schwieg er wieder.
    Das Auto holperte über den Feldweg, bis es an der Landstraße angekommen war und nun wieder in vollem Tempo Richtung Mullendorf fahren konnte.
Als ich am Arzthaus angekommen war, hielt ich an.
Ich weiß nicht, ob es meine Sensationslüsternheit war oder die Hoffnung, dass durch seine Anwesenheit die Langeweile aus Mullendorf vertrieben werde. Oder seine ruhige Art, die mir fast melancholisch vorkam. Oder die Erinnerung an sein Geständnis. Jedenfalls fasste ich mir ein Herz. »Ich würde mich freuen, wenn du bleiben würdest.«
Er sah mich überrascht an, dann verzog er den Mund zur Andeutung eines Lächelns. »Danke fürs Mitnehmen«, sagte er, dann stieg er aus.
    Ich hatte noch zwei Stunden Zeit, bis meine Schicht in der Tankstelle begann. Die nutzte ich, um in meinem Zimmer in Ruhe das »Sauger-Journal« zu lesen. Die Zeitung war sehr interessant und beleuchtete die Welt der Vampire, die ich bisher nur aus dem Fernsehen kannte (in Mullendorf abonnierten nur der Bürgermeister und der Pfarrer eine Zeitung), aus einer völlig anderen Richtung. So wusste ich bisher nicht, dass Vampire Feuer fürchteten und bei großer Kälte in eine Starre verfielen. Ebenfalls ein Erbe der Schlangen-Urahnin. Getötet werden konnten sie durch einen Pflock ins Herz, egal ob aus Holz oder Stahl oder Plastik. Es gab auch noch kein synthetisches Blut, wie ich mal in einem Buch gelesen und in einer Fernsehserie gesehen hatte, allerdings arbeiteten die Wissenschaftler auf Hochtouren daran, da diese Leistung ihnen mit Sicherheit einen Nobelpreis einbringen würde. Auch dass einige Länder toleranter mit ihrer neuen Minderheit umgingen, war mir neu. Bisher hatte ich geglaubt, die Vampir-Phobie samt Hetzjagden und Lagern sei ein universelles Phänomen. In Russland zum Beispiel wurden in Sibirien eigens Städte für Vampire errichtet, wo sie Erze abbauen und sich von Blutkonserven ernähren konnten, die die Bevölkerung freiwillig zur Verfügung stellte. Brasilien hatte vor, ihnen einige Rechte zuzusprechen, beispielsweise dass sie sich frei bewegen, leben und sogar wählen konnten. Das galt für alle, solange sie nicht straffällig geworden waren, weil sie den Menschen zu nahe kamen und ihnen Schaden zufügten. Und in Frankreich sympathisierte die Bevölkerung dermaßen mit den neuen alten Mitbewohnern, dass die Regierung es nicht wagte, gegen sie vorzugehen. Sie verschloss die Augen und tat so, als gäbe es sie nicht. Aber in den meisten Ländern herrschte ein ähnliches Vorgehen wie in Deutschland.
Die meisten Artikel stammten von einem N.F., wo die Zeitung gedruckt oder vertrieben wurde, blieb ein Geheimnis.
Als es kurz vor achtzehn Uhr war, zog ich das rote Tankstellen T-Shirt und eine schwarze Hose an, dann fuhr ich zur Arbeit.
    ***
    Leif saß die ganze Zeit in seinem Büro, so dass ich den Laden für mich hatte. Es war nicht

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