Die Ankunft
viel los, nur zwei Autos hielten an, um zu tanken. Einer der Reisenden kaufte den Playboy – ein Geschäftsreisender nahm ich an. Ein Lastwagenfahrer verlangte fünf belegte Brötchen, was mich zur Arbeit in der Küche verdonnerte, denn es musste Nachschub geschmiert werden. Als ich zurück in den Laden kam, stand Robert dort herum. Ich ging sofort zu ihm ging und gab mir dabei Mühe, nicht zu zeigen, wie sehr ich mich freute, ihn zu sehen.
»Hallo.«
»Hey«, erwiderte er und lächelte mich an.
Ich kniff die Augen zusammen. Wenn ich nicht direkt hinsah, konnte ich die Leere, die er ausstrahlte, besser ignorieren.
»Willst du dich etwa verabschieden?« Ich hoffte, er konnte nicht hören, wie enttäuscht ich klang.
Zu meiner Überraschung schüttelte er den Kopf. »Nein, ich wollte dir nur sagen, dass ich bleibe.«
»Ehrlich?« Mein Herz hüpfte.
»Auf keinen Fall!«, ertönte plötzlich Leifs Stimme. Mit zwei, drei schnellen Schritten kam er auf Robert zu. »Du verschwindest wieder von hier«, zischte er.
»Nein«, widersprach Robert mit fester Stimme.
»Die beiden streiten sich wie Gockel um eine Henne«, sagte auf einmal der alte Eberhard, der schon die ganze Zeit an einem der Stehtische im Bistro der Tankstelle stand und offensichtlich den Guinnessrekord im Dauerbiertrinken brechen wollte. Wo auch immer der lag, er war mit Sicherheit nah dran. Seit Jahren kam er Tag für Tag in die Tankstelle und trank sich die Seele aus dem Leib. Oftmals begleitete ihn Gertrud, eine einsame Bäuerin, deren Mann vor zwanzig Jahren vom Mähdrescher gefallen war und daraufhin in unzähligen kleinen Häckselstückchen beerdigt werden musste. Es hieß, er hätte damals zwei Flaschen Korn intus gehabt. Falls es stimmte, konnte man sich damit trösten, dass er von seiner eigenen Verhäckselung nicht viel gespürt haben konnte. Seitdem trank Gertrud genauso viel, als wolle sie damit sein Andenken hochhalten. Allerdings stieg sie nur aufs Fahrrad und nicht auf den Mähdrescher, aber schon das war gefährlich genug.
Gerhard leistete den beiden gern Gesellschaft in den Monaten, in denen er auf freiem Fuß war. Er besaß eine illegale Schnapsbrennerei, einen illegalen Spielclub und andere illegale Sachen, die die Polizei noch nicht oder nur teilweise entdeckt hatte. Auch wegen Steuerhinterziehung hatte Gerhard schon gesessen. Zahlreiche Tattoos schmückten seinen Körper, die er gerne zeigte, was bei mir stets einen Fluchtreflex auslöste. Einerseits, weil sein Körper alles andere als schön anzusehen war, andererseits, weil ich eine Spinnen-, Schlangen- und Totenkopfphobie besaß, und genau die gab es zuhauf auf seiner Haut.
Heute war jedoch nur der alte Eberhard anwesend. Er kicherte in sein Glas, so dass sein letzter Zahn wackelte.
Weil ich mich dem alten Mann zugewandt hatte, konnte ich leider nicht verstehen, was Robert Leif antwortete. Er sprach sehr leise. Es war jedoch offensichtlich überzeugend, denn Leif verstummte. Er deutete mit dem Kopf zu seinem Hinterzimmer, und die beiden verschwanden aus dem Laden.
»Wichtige Geschäfte haben die Herren zu besprechen«, nuschelte der alte Eberhard.
»Das wird es wohl sein«, erwiderte ich und überlegte fieberhaft, welche wichtigen Geschäfte das sein könnten.
Ich öffnete die Kasse, um nachzuschauen, ob sich noch genügend Wechselgeld darin befand. Zum Glück fehlten Ein-Euro-Münzen. Also setzte ich mein unschuldigstes Gesicht auf und folgte den beiden nach hinten in Leifs Büro.
Ich klopfte kurz an, bevor ich – ohne die Antwort abzuwarten – eintrat. Sie standen mitten im Büro, doch ich kam nicht dazu, meine Bitte um Wechselgeld vorzubringen. Denn da war er wieder, dieser unheimliche Anblick. Eine Gänsehaut kroch über meinen Körper, als ich Leif anblickte. Er sah aus wie Robert. Genauso leer und seelenlos. Er war auch ein Vampir!
»Du auch?«, stammelte ich.
Mein Chef hatte keine Ahnung, was in mir vorging und schüttelte irritiert den Kopf. »Ich auch? Was meinst du? Was willst du überhaupt hier?«
Robert hob seine Hand und wollte mich zurückhalten. »Nicht, Moona, nicht. Lass ihn.«
»Du bist ein Vampir«, sagte ich fassungslos. »All die Jahre hast du das verheimlicht!«
Er war so schnell bei mir, dass ich gar nicht reagieren konnte. Seine großen Hände umfassten meine Kehle und drückten mir die Luft ab. Doch am schrecklichsten war, zu sehen, wie seine Eckzähne auf einmal zu stattlicher Größe anwuchsen.
»Das hättest du für dich behalten sollen«, presste Leif
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