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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Piel
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Rosa. Wir werden uns eine Kammer teilen.“
    „Das ist sehr freundlich von dir.“
    Rosa lachte. „Überhaupt nicht. Ich habe mir schon lange eine Freundin gewünscht, mit der ich plaudern kann, bevor ich einschlafe.“
    Marcus lachte. „Dann genüge ich dir wohl nicht?“
    „Du bist ein Mann. Mit dir kann man doch nicht reden.“
    Während sie sich lachend kabbelten, blieb Sibils Blick an Marcus hängen. Seine blauen Augen gaben ihm etwas Kindliches, obwohl sein Kinn schon männlich markant war. Seine Lippen waren voll und sinnlich. Lippen zum Küssen. Ihr Herz schlug plötzlich fester.
    Imagina nahm Sibil und führte sie zu einem Stuhl.
    „Setz dich. Möchtest du etwas essen oder trinken?“
    Plötzlich merkte Sibil, wie ausgehungert sie war. Eifrig nickte sie. Imagina öffnete die Tür zu einem kleinen, dunklen Nebenraum und brachte Brot, Butter, einen Topf mit Honig und ein Stück Käse zum Vorschein, das in ein feuchtes Tuch geschlagen war.
    „Ich kann dir Eier braten“, bot sie an.
    „Au ja“, sagte Marcus sehnsüchtig, und Imagina versetzte ihm einen spielerischen Schlag mit dem feuchten Tuch.
    „Du nicht, Vielfraß. Heute gehört alles, was wir haben, Sibil. Ab morgen müsst ihr wieder teilen.“
    „Das ist kein Problem“, sagte Rosa und setzte sich zu Sibil an den Tisch. „Wir haben viel.“
    „Ist das hier das Paradies?“
    „Du meinst, ob du gestorben und in den Himmel gekommen bist? Nein, das hier ist immer noch das gute alte Erdenleben. Nur ganz anders, als du dachtest. Es gibt so viel mehr zwischen Himmel und Erde, als du glaubst...“
    „Erzähl mir davon.“
    „Soll ich...?“
    Rosa sah zu Imagina hinüber, die aus einem großen Krug Milch in Becher füllte.
    „Mach nur. So sehe ich gleich, ob du gut aufgepasst hast.“
    Rosa holte tief Luft. „Also. Wie du bereits weißt, gibt es uns Gestaltwandler. Wir haben eine menschliche Gestalt und eine Wolfsgestalt. Wenn du deinen ersten Vollmond erlebt hast, kannst du nach Belieben zwischen beiden Gestalten wechseln. Der Wolf wohnt dann in dir, und du musst dafür sorgen, dass es ihm gut geht. Das kannst du auf zwei verschiedene Arten tun. Entweder, du lässt das Tier entscheiden. Dann wirst du wie Raffaelus und sein Rudel. Sie morden, sie folgen ihren Trieben, sie haben Spaß am Töten, und dadurch wird das Tier immer mächtiger. Manche vermischen auch ihre Gestalt und bleiben für immer ein Zwischenwesen.
    Die zweite Möglichkeit ist es, die menschliche Seele in dir entscheiden zu lassen. Du sorgst gut für dein inneres Tier, aber du lässt es nicht über dich bestimmen. Der Schlüssel dafür ist, dass du niemals einen Menschen angreifen darfst. Du darfst auch niemals jemanden beißen und ihn damit auf unsere Seite holen. Deine Seele muss rein bleiben. Du kannst dich dann jederzeit in einen Wolf verwandeln, aber du kannst auch die Kontrolle über ihn behalten.“
    „Einer aus Raffaelus' Rudel... Adam... er sagte mir, dass es Macht verleihen würde, Menschenfleisch zu essen. Und Macht sei... gut. Nötig.“
    „Adam?“ Imagina stellte den Krug ab. „Wie geht es ihm?“
    „Du kennst ihn?“
    Imagina seufzte. „Ich wollte ihn damals Raffaelus nicht überlassen. Aber der Junge war so voller Wut. Er konnte sich nicht beherrschen und hat bei seiner ersten Wandlung einen Menschen getötet. Danach konnte er hier nicht bleiben, und Raffaelus hat sich seiner angenommen.“
    „Davon hat er mir gar nichts erzählt“, sagte Sibil erstaunt. „Allerdings hat er mich zu dir geschickt. Auf Umwegen zumindest. Und es geht ihm gut. Er scheint ganz zufrieden zu sein.“
    „Ich denke, damals war er verliebt in Raffaelus. Er wollte sich lieber von einem starken, wütenden Mann lenken lassen als von einer Frau.“
    „Das ist wahrscheinlich immer noch so“, sagte Sibil und trank durstig ihren Milchbecher leer. „Aber wie ist das nun mit der Macht? Muss man Menschen töten, um zu überleben?“
    „Nein.“ Imagina klang sehr entschieden. „Der Weg als reine Seele ist schwierig, aber man kann ihn gehen. Er erfordert mehr Mut als der andere. Aber du bist freiwillig zu uns gekommen, um alles über diesen Weg zu lernen, und ich werde dir beibringen, was ich weiß.“
    „Dann werde ich eine Weile hierbleiben?“
    Imagina lächelte. „Ja. Eine ganze Weile, mein Kind.“

14. Kapitel
    Herbst 2012, Frankfurt am Main
    « Aber den Hals brechen soll ich mir nicht? »

    „Du schon wieder.“
    Sam sah zu mir hinauf, den Arm bis zur Schulter im

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