Die Ankunft
müssen wir uns gen Osten wenden!«
Malobaudes neigte seinen massigen Schädel.
»Wie Ihr befehlt, Augustus. Das Lager …«
»Das Lager des Priarius schleift und lasst es durch die Männer plündern. Sie sollen sich von den Frauen nehmen, was ihnen gefällt. Alles an Wertsachen soll gerecht verteilt werden. Morgen Abend halte ich Heerschau. Ruft die Zenturionen und Legaten zusammen und lasst Euch von den Tapferen berichten, jenen, die zur Beförderung anstehen oder zur Belobigung. Mir gefiel die dritte Zenturie an der linken Flanke, Malobaudes. Ein Optio erschien mir besonders eifrig.«
»Ah, der junge Telmachus. Einer meiner Besten!«
»Schaut, ob Ihr ihn zum Zenturio machen könnt.«
Malobaudes verzog das Gesicht. »Telmachus zum Offizier ernennen? Wer soll dann die richtige Arbeit machen?« Gratian grinste den General an. »Das ist das Schicksal der Erfolgreichen, mein Freund.«
Malobaudes verbeugte sich im Sattel, riss die Zügel herum und ritt wieder zu seinen Truppen. Das Schlachtfeld war endgültig im Chaos versunken. In der Mitte stand mittlerweile der unbewegliche Körper der Legionen, während die Jagd auf die fliehenden Barbaren der Kavallerie überlassen wurde. Hörnersignale erklangen, dann machten sich die Soldaten auf den Weg zum Lager der Lentienser, sich ihre Belohnung abholen.
Gratian hoffte, dass Priarius ihnen genug zum Plündern übrig gelassen hatte.
Nichts war gefährlicher als ein unzufriedener Soldat. Und so mancher Telmachus war von seinen Männern mit dem Purpur behangen worden, weil er ihnen mehr Lohn und Beute versprochen hatte, als der Kaiser ihnen anbot.
Dies, so wusste Gratian, galt es zu vermeiden.
»Elevius!«
»Herr!«
»Zurück ins Feldlager. Wir sind hier fertig.«
Schreie erklangen vom Schlachtfeld. Die Kavalleristen hatten begonnen, die Schwerverletzten unter den Barbaren von ihren Leiden zu erlösen.
10
»Niemand Würdigeren hätte es treffen können, und so erkenne ich mit großer Freude, dass unser Imperator dieses hohe Amt an jemanden gegeben hat, der als Mann guten Willens und großer Fähigkeiten bekannt ist wie Ihr. Ich hoffe, dass Ihr bald danach die Gelegenheit haben werdet, in das Euch gebührende Privatleben zurückzukehren, denn genauso, wie niemand daran gehindert werden soll, ein ehrenvolles Amt zu bekleiden, soll niemand gehindert werden, dieses wieder abzugeben. Ich schreibe dies, sodass Ihr eines erkennt: So sehr wir dem Ewigen Imperator auch dafür danken, Euch mit dieser Würde bedacht zu haben, so danken wir doch in gleichem Maße dafür, wenn er die Bürde wieder von Euch nimmt.«
Quintus Aurelius Symmachus hielt einen Moment inne und las die letzten Zeilen ein zweites, dann ein drittes Mal. Er senkte die Feder, nickte kurz, tauchte sie erneut in die Tinte und erweitere den Brief um einige Sätze, eine Abschiedsformel und eine Unterschrift. Dann ließ er die Feder wieder sinken und legte das Papier beiseite. Es war jedes Mal von Neuem eine lustvolle Last, die Freundschaft zu seinen senatorischen Kollegen zu pflegen. Dies war ein Bestandteil des notwendigen kulturellen Umgangs mit den Gleichgestellten. Amicitia, die seit Langem fest gefügten Regeln der Höflichkeit, der Beachtung aller sozialen Rangunterschiede und des Prinzips vollständiger und unverbrüchlicher Konzentration auf die Pflege der Beziehungen, gehörte zu seinem Leben und er gestand sich ein, dass das Schreiben dieser Briefe ihm sowohl Freude wie auch Last war.
Der Senator erhob sich von seinem Tisch und blickte durch das Fenster ins Atrium seiner römischen Stadtvilla. Er hasste die Stadt, die Konfrontation mit der Masse ihrer Bewohner, und mied sie, wo er nur konnte. Normalerweise zog er es vor, auf einem seiner Landgüter zu wohnen oder in seinem Haus an der See, weitab vom Gedränge und Chaos großer Städte, erst recht so massiver Metropolen wie Rom. Doch hin und wieder konnte er es nicht vermeiden, diesen Moloch zu betreten, vor allem dann, wenn der Senat zusammentrat. Symmachus war Senator aus Überzeugung und Leidenschaft, und im Gegensatz zu den alten senatorischen Familien, die normalerweise die Macht unter sich ausmachten, war die seine erst seit zwei Generationen in diesem exaltierten Rang angekommen. Es war nicht diese Herkunft, die Symmachus' Arbeit so schwer machte – es war die Tatsache, dass er sich zusammen mit seinen Mitstreitern, allen voran sein väterlicher Freund Praetextatus, gegen den wachsenden Einfluss der christlichen Senatoren wehren musste. Das neuste
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