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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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trocken, er nutzte die Zeit, um doch einen Schluck des gestreckten Weins zu nehmen.
»Wenn das stimmt – und anders kann ich mir ein Schiff wie das Eure kaum erklären –, dann kennt Ihr die Zukunft.«
Die simple Feststellung des Michellus zeigte, dass er hinter seinem jovialen und naiven Gehabe durchaus zugehört und mitgedacht hatte.
»Nun … das könnte man annehmen«, antwortete Rheinberg vorsichtig. »Tatsache ist, dass ich die Vergangenheit – Eure und unsere Zukunft – durch meine Anwesenheit bereits verändert habe. Zu meiner Zeit ist von dem Auftauchen meines Schiffes in Ravenna vor 1500 Jahren nichts bekannt. Dennoch glaube ich, dass ich einige Dinge weiß, die zu wissen … förderlich sein könnten.«
»Gibt es das Reich zu Eurer Zeit noch?«, wollte Symmachus wissen.
»Nein. Westrom wird in etwa hundert Jahren untergehen, im Jahre 476. Letzter Kaiser wird ein Mann namens Romulus Augustulus sein.«
Schockiertes Schweigen war die Reaktion.
»Ihr sagt … Westrom wird untergehen«, meinte Renna mit belegter Stimme.
»Ostrom trifft es etwas besser«, fuhr Rheinberg tonlos fort. »Der Osten des Reiches erlebt sogar noch eine neue Blüte, mit erfolgreichen militärischen Expansionen und großer Machtentfaltung. Es wird später das Byzantinische Reich genannt. Hauptstadt bleibt Konstantinopel, umbenannt in Byzanz, und mit der Eroberung der Stadt im Jahre 1453 endet es.«
»1453?«
Der Tonfall des Michellus hatte so etwas wie Erleichterung enthalten.
»Ja«, bestätigte Rheinberg. Er wartete auf die nunmehr unvermeidliche Frage.
»Warum musste Westrom fallen?«, stellte sie Renna auch sogleich.
»Dafür gibt es viele Gründe. Ein zentraler Grund ist jedenfalls der, dessen Zeuge Ihr gerade werdet. Der Angriff der Goten im Osten.«
»Die Goten zerstören Westrom? Valens kämpft doch gegen sie! Er wird sie sicher schlagen!«, begehrte Michellus auf.
»Die Goten sind nicht das Problem. Es ist der ganze Prozess …«
Rheinberg suchte nach den richtigen Worten. »Wir nennen es … die große Wanderung der Völker. Ausgelöst wird sie durch ein Volk, das Ihr bereits unter dem Namen Hunnen kennt. Sie vertreiben im Osten alle anderen aus ihren angestammten Gebieten und so wird ein steter Druck auf die römischen Grenzen aufgebaut. Das wäre vielleicht noch zu ertragen gewesen, wenn das Reich stark und wohlhabend wie unter Trajan wäre, aber …«
Rheinberg unterbrach sich, als er das wissende Lächeln auf den Zügen des Symmachus erblickte.
»Jedenfalls«, nahm er den Faden wieder auf, »wird dies Westrom im Endeffekt zum Verhängnis. Valens wird übrigens sterben. Das heißt, er ist bereits tot. Seine Armee wurde vor Adrianopel vernichtend geschlagen.«
Erneut erfüllte betroffene Stille den Raum.
»Die Goten überrennen den Osten?«, fragte Renna. »Aber ich dachte, Ihr hättet gesagt …«
»Theodosius der Große wird das Schlimmste verhindern.«
Symmachus runzelte die Stirn. »Theodosius? Der Sohn des Generals?«
»Genau der.«
»Der wird Kaiser des Ostens?«
»Er wird Kaiser des gesamten Reiches nach Gratians frühem Tod.«
Jetzt war das Entsetzen fast greifbar.
»Gratian …«, stotterte Renna, der nun auch sichtlich um Fassung rang.
»Gratian stirbt in ein paar Jahren, nach der Ernennung des Theodosius zum Kaiser des Ostens, durch Verräter, die einen Provinzgeneral zum Kaiser machen wollen.«
»Ah«, machte nun Michellus wissend. »Nimmt dieser Fluch denn nie ein Ende? Gratian hatte gerade das zerrüttete Verhältnis zwischen Thron und Senat wieder hergestellt und den Unfrieden geschlichtet, den sein Vater gebracht hatte – und jetzt das.«
Rheinberg kommentierte das nicht. Er lehnte sich zurück und ließ seine Worte sinken. Er würde seiner Glaubwürdigkeit nichts hinzufügen, wenn er jetzt weitere Details preisgab – vor allem dann nicht, wenn er die feste Absicht hatte, viele dieser Entwicklungen zu verhindern.
Es war Renna, der das Schweigen brach.
»Wenn das alles stimmt und wenn durch Euer Erscheinen die Ereignisse, wie Ihr sie kennt, bereits verändert worden sind – dann heißt das doch auch, dass der Untergang des Westens ebenso wenig unabwendbar ist wie der Tod Gratians.«
»Davon gehe ich aus.«
»Das heißt aber auch, dass wir mit Eurem Wissen an den Kaiser herantreten sollten, um ihn zu bestimmten Maßnahmen anzuregen, die möglicherweise den Gang der Geschichte so verändern, dass wir damit … zufriedener sind.«
»Auch das hört sich klug an.«
»Das ist nicht so einfach«, kommentierte

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