Die Ankunft
Volkert feststellen, dass es zumindest hier keine Trennung zwischen den Geschlechtern gab. Direkt vor ihm befanden sich zwei freie Plätze, unmittelbar neben zwei mächtigen Matronen, die sich schwerfällig ächzend auf die Toilettenlöcher niedergelassen hatten und nun angestrengt, aber betont würdevoll mit ihren Ausscheidungen beschäftigt waren. Volkert beschloss, sich davon nicht irritieren zu lassen, es gab sowieso keine Alternative, und er musste dringend.
Die dritte Überraschung fand er vor, als er vor dem Hinsetzen in das Toilettenloch schaute und einen beständigen Wasserstrom dahinplätschern sah. Wasserspülung. Verdammt, er musste jeden Tag so manches Vorurteil über die Völker der Antike revidieren. Die Römer hatten Wasserspülung. Genauso wie es im Vorraum zur Toilette fließendes, warmes Wasser gegeben hatte. Das war auch notwendig, denn Toilettenpapier gab es nicht – man benutzte anscheinend die linke Hand und wusch sie anschließend gründlich. Volkert wappnete sich. Das war ein Bestandteil der römischen Hygienegewohnheiten, mit dem er noch so seine Probleme haben würde. Zum Glück war er hier nur für ein kleines Geschäft aufgetaucht, sodass sich dieses Problem so unmittelbar nicht ergab.
Er zog die Hosen herunter. Die Matronen widmeten ihn keines Blickes, sie wirkten sehr konzentriert und nach innen gewandt. Viel Arbeit. Er setzte sich. Die Marmorbank war angenehm warm und der glatt geschliffene Stein vermittelte ein komfortables Sitzgefühl. Als reicher Senator, so Volkerts Einschätzung, konnte man sich auch in der Spätantike ein sehr bequemes und angenehmes Leben leisten. Würde er einmal zu solchem Reichtum kommen, würde er in seiner Villa jedoch einige Umbauten machen lassen. Ein Klo nur für sich selbst würde unter anderem dazugehören.
Volkert entspannte sich. Gerade, als es zu plätschern begann, sah er, wie sich die Tür öffnete und jemand eintrat.
Jede Entspannung wich aus ihm, als er hochsah.
Herein kam …
Nein.
Herein schwebte eine junge Frau, sicher keine achtzehn Jahre alt. Sie trug eine Tunika, die ihren ganzen Leib bedeckte, jedoch an ihrer schlanken Taille gut zusammengebunden war, sodass ihre vollen Brüste sich deutlich unter dem feinen Stoff abzeichneten. Ihr herzförmiges Gesicht wurde durch zwei große, dunkle Augen dominiert. Unter einer Stupsnase öffneten sich sanft geschwungene, feine Lippen zu einem Lächeln.
Ein wunderbares Lächeln. Volkert konnte gar nicht mehr woanders hinschauen. Er vergaß ein wenig, warum er hier war, ja wo er eigentlich war, und konnte nichts anderes mehr tun, als auf dieses Gesicht zu schauen. Sein Herz klopfte. Das war nicht gut. Das war gar nicht gut. Was hier passierte, war ihm noch nie zugestoßen.
Völlig gegen seinen Willen verließen seine Augen das Gesicht der jungen Frau, als diese betont lässig ihre Tunika hochraffte und zwei schlanke, hellbraune Beine enthüllte, mit perfekten Waden, die in feinen Fesseln endeten.
Gott, er wollte ja wegschauen! Wirklich! Aber es ging einfach nicht, es ging einfach nicht!
Sie drehte sich um und setzte sich neben Volkert. Als sie hin und her rutschte, um angenehm sitzen zu können, berührte ihre weiche, warme Hüfte für einen Moment die seine. Ein Stromstoß schien durch den jungen Mann zu jagen, und jetzt war von Entspannung endgültig nichts mehr zu spüren, im Gegenteil.
Volkert beschloss, bis auf Weiteres nicht aufzustehen.
Er starrte betont auf den mit Mosaiken geschmückten Boden, um so zu tun, als wäre er nicht völlig hin und her gerissen.
»Ich bin Julia, Tochter des Michellus!«, sagte eine sanfte Stimme neben ihm. Sie sprach ihn an, direkt an. Kein Zweifel. Und niemanden schien das zu kümmern.
»Ich …«, stotterte der junge Mann. Er suchte nach den richtigen Worten, was umso schwerer war, da er nach lateinischem Vokabular fahnden musste.
»Ihr seid einer der Fremden.«
Volkert verstand Latein besser, als er es sprach. Und er sprach Griechisch besser als Latein. Also versuchte er es damit.
»Ich bin Thomas Volkert, von der Saravica. «
»Freut mich, Thomas«, erwiderte Julia lächelnd auf Griechisch. Volkert verlor sich, ja ertrank förmlich in diesem Lächeln.
»Ein langweiliges Fest«, stellte sie danach sofort fest und kratzte sich wenig damenhaft am Kinn. »Ich hasse es, wenn mein Vater mich zu so was mitschleppt.«
»Ja«, brachte Volkert nur hervor und bemühte sich, nicht allzu dämlich zu wirken. Er fand das Fest eher interessant und lehrreich, aber wer war er,
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