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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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einer Göttin zu widersprechen?
»Bist du fertig, Thomas von der Saravica? «
»Fertig?«
Julia grinste und stupste ihn an. Dann wies sie auf das Toilettenbecken, auf dem er saß. Volkert sah an sich herab und alles, was ihm in den Blick fiel, waren seine käsig weißen, behaarten Beine unter der gerafften Tunika. Warum musste er diese Frau ausgerechnet hier, in diesem Zustand treffen? Und erwartete sie tatsächlich, er würde jetzt einfach aufstehen? Wahrscheinlich würde er das gar nicht können, denn sein Hintern war derzeit gewissermaßen von unten in der recht eng bemessenen Öffnung verriegelt.
Julia, Tochter des Michellus, schien diese Bedenken nicht zu teilen. Sie erhob sich mit Leichtigkeit, gestattete Volkert – absichtlich? Unabsichtlich? – einen Blick auf ihre Oberschenkel, was zur Problematik des Fähnrichs nicht unwesentlich beitrug, und ließ die Tunika fallen.
»Ich kenne einen schönen Platz«, sagte sie dann leise. Ihre Stimme ging im Gemurmel der anderen Geschäftigen fast unter. »Ich warte draußen auf dich, beim Säulengang. Da ist eine alte Jupiterstatue mit einem kleinen Springbrunnen.«
Volkert wusste, welchen Ort sie meinte, und brachte eine unbeholfene zustimmende Geste zustande. Julia schenkte ihm erneut dieses magische Lächeln, wandte sich leichtfüßig um und verschwand im Vorraum.
Es dauerte zehn Minuten, bis Volkert wagte, sich zu erheben.
Er wusch sich sorgfältig die Hände, um seine innere Erregung unter Kontrolle zu bekommen, und merkte, dass ein feiner Schweißfilm auf seiner Stirn stand. Für einen Moment überlegte er, Rheinberg von seiner Verabredung zu erzählen, aber er vermutete, dass dieser mit etwas Wichtigerem beschäftigt war.
Und irgendwie gab es in Thomas Volkerts Verstand zur Zeit nichts Wichtigeres als Julia, Tochter des Michellus.
Er dachte nicht einmal darüber nach, dass dieser Zustand mit »Verstand« möglicherweise nur noch sehr wenig zu tun hatte …

19

    Als ein Diener ihn in das Arbeitszimmer des Urianus bat, ahnte Rheinberg, dass er jetzt den nächsten Schritt machen musste, um seine Chancen noch einmal zu erhöhen. Er war bereits etwas müde, aber die Ausdauer der römischen Oberklasse bei diesen Festen schien endlos zu sein. Halbherzig bedauerte er, die aktuelle Vorstellung einiger Tänzerinnen und Jongleure verpassen zu müssen, die begleitet von Flötenmusik begonnen hatten, die Gäste zu unterhalten. Doch jetzt gab es Wichtigeres zu erledigen.
Das großzügige Arbeitszimmer war spartanisch eingerichtet. Es wurde von einem gigantischen Marmortisch beherrscht, der überfüllt war mit Pergamenten. Keiner warf auch nur einen Blick in die Dokumente, als gelte hier ein ungeschriebenes Gesetz, eine Art Ehrenkodex.
Unweit des Tisches, nahe an einem Kamin, waren vier sesselähnliche Sitzgelegenheiten aufgestellt. Es wurde langsam dunkel und etwas kühl, und so hatte ein Sklave ein Feuer entfacht. Auf einem Beistelltisch standen einige Karaffen mit Wein und ein Tablett mit Bechern. Ein zweiter Tisch war mit allerlei Naschwerk überladen, Rheinberg erkannte Berge der kandierten Früchte, für die Urianus offenbar eine besondere Leidenschaft hatte, denn sie waren auch auf dem Buffet allgegenwärtig gewesen – und schmeckten, wie er bestätigen konnte, ganz ausgezeichnet.
Drei Männer warteten auf ihn. Einen kannte er: Es war Navarch Renna, einen Becher in der Hand, den er zum Gruße hob. Der zweite war Rheinberg kurz vorgestellt worden: Symmachus, römischer Senator und eine in der Geschichte wohlbekannte Gestalt. Er war vor allem deswegen über alle Jahrhunderte berühmt geblieben, weil seine umfassende Sammlung an Briefen bis in die Neuzeit erhalten worden war – allem voran der Briefwechsel, mit dem der heidnische Senator versucht hatte, sowohl Gratian wie auch den Nachfolger Theodosius davon zu überzeugen, gegenüber den alten Kulten Toleranz zu zeigen. Der größte Gegenspieler des Symmachus war aber nicht der Kaiser gewesen, sondern der Bischof von Mailand, Ambrosius, den die Kirche später heiliggesprochen hatte. In der Gegenwart, in der Rheinberg sich nun befand, war er jedoch alles andere als ein Heiliger, sondern vielmehr ein gewiefter Kirchenpolitiker und fanatischer Katholik, dem die Einheit der Kirche und die Dominanz dessen, was später der Papst werden sollte, über alles ging. Das, wofür der Heilige Ambrosius später geehrt werden würde, war, nach Rheinbergs Überzeugung, einer der Todesstöße, die dem kranken Weströmischen Reich

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