Die Ankunft
die lebhaften Schilderungen Neumanns über grassierende Geschlechtskrankheiten klangen beiden noch deutlich im Ohr. Ein andermal vielleicht. Wenn sie beide verzweifelt genug waren.
Bis dahin genügte der Wein, oder auch nicht, denn wie Behrens so richtig feststellte, das hier gereichte Getränk schmeckte wie ausgeschieden und war wohl nur deswegen bei den Zechenden erkennbar beliebt, weil es schlicht Alkohol enthielt.
»Was fehlt, ist Bier.«
»Das gibt es hier. Cervisia heißt das Zeugs«, belehrte Köhler seinen Kameraden. »Ich darf davon abraten. Labberig und kaum herunterzukriegen. Dagegen ist der Wein hier ein edles Tröpfchen.«
»Es wäre alles einfacher, wenn es dazu einen Schnaps gäbe«, murrte Behrens. Er starrte auf den Eintopf vor sich, den man als Abendmahl gereicht hatte, und stocherte missmutig mit dem Holzlöffel darin herum. Die Suppe war heiß, daran gab es keinen Zweifel, jedoch minderte das Behrens' Misstrauen nur wenig. Beide Männer erkannten, dass ihnen hier noch einiges an Eingewöhnungsarbeit bevorstand.
»Ja, ich finde es schon seltsam, dass sie hier nichts Stärkeres anbieten«, meinte auch Köhler und schwenkte den Holzbecher ein wenig missmutig hin und her. »Eigentlich reicht doch schon Wein, um daraus mit etwas Umsicht Weinbrand machen zu können.«
»Ich kenne genug Einheiten, die vor allem in den Kolonien eigene Destillen betreiben. Darf keiner wissen und so, aber so schwierig ist das ja nun nicht«, murrte Behrens. Er schob die Schale mit dem Eintopf schließlich vorsichtig von sich, so als würde er befürchten, dass sich das Gebräu aus seinem Behälter erheben und ihn angreifen würde, wenn er es nur zu sehr reizte.
»Da sagst du was«, murmelte Köhler mit einem plötzlich sehr nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. »Wir bräuchten ein paar gescheite Metallrohre und noch ein paar andere Materialien, aber einige der Männer von Dahms könnten uns da sicher zur Hand gehen …«
»An was denkst du?« Köhler hatte die volle Aufmerksamkeit des Infanteristen.
»Naja, ich vermute mal, wenn man dem Publikum hier eine Alternative zu diesem Gesöff anbietet, dann werden sie nicht Nein sagen. Einige der Jungs hier sehen aus, als würden sie sich jeden Abend reichlich abfüllen, und Geld scheinen sie alle dafür zu haben.«
»Das sehe ich ähnlich. Die Hälfte der Leute hier sind Quartalssäufer. Und sie müssen einiges an Silber investieren, bis sie genug Wein intus haben, um einen anständigen Rausch zu bekommen.«
»Nicht wahr?« Köhler grinste. »Das kann man doch schneller und preiswerter erreichen – und mit mehr Geschmack. Möglicherweise wird dann sogar das Bier genießbar.«
»Von den medizinischen Wirkungen ganz zu schweigen«, betonte Behrens mit übertriebenem Ernst. »Desinfektion haben die alle hier bitter nötig. Da können ein paar Klare Wunder wirken.«
»Nichts liegt näher an der Wahrheit«, bestätigte Köhler. Er schaute sinnierend auf den Schankwirt, einen breit gebauten Mann, der hinter einer grob behauenen Theke stand und die Kundschaft mit seinen Schweinsäuglein alle gleichzeitig im Blick zu haben schien. Köhlers Aufmerksamkeit wanderte von dem Mann zur halboffenen Tür, hinter der er die Küche vermutete. Er sah eine Frau, die hin und wieder Speisen nach vorne trug und auf die Theke stellte, wo die Bedienungen sie abholten. Sie war in etwa im Alter des Schankwirts und machte nicht den Eindruck einer Angestellten, vor allem dann, als sie eine der Bedienungen laut beschimpfte, als diese aus Unachtsamkeit etwas fallen ließ. Köhler vermutete, dass es sich um die Frau des Wirtes handelte. Hin und wieder waren durch die Tür auch Kinder zu sehen, die neugierig in den Schankraum lugten, ehe sie vom Wirt wieder verscheucht wurden. Nach zehn Minuten hatte Köhler fünf verschiedene Gesichter identifiziert.
»Dieser Wirt hier hat ein volles Haus und eine große Familie«, kommentierte er schließlich und neigte den Kopf in Richtung Theke. »Die Preise sind moderat und ich glaube nicht, dass die Kundschaft immer zahlt. Der Wirt lässt anschreiben, siehst du?«
Behrens nickte. Der Wirt führte eindeutig eine Liste an der Rückwand der Theke, an der die Namen von Stammgästen auf einer Tafel vermerkt waren. Obgleich er nicht genau wusste, was die kryptischen Abkürzungen hinter den Namen bedeuteten, war zumindest zu erahnen, dass die Außenstände nicht unerheblich waren. Die Tatsache, dass der Wirt manchmal recht deutliche Worte an den einen oder anderen der Zechenden
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