Die Ankunft
ermöglichten, die drei größten Ziele in seinem Leben zu erreichen: sein Leben dermaßen zu reinigen, dass er am bald bevorstehenden Jüngsten Tag dem Gericht mit Freude und Erwartung entgegentreten durfte, das Leben anderer zu reinigen, auf dass diese ebenfalls gerettet werden konnten, und bis dahin dafür zu sorgen, dass sein reines Leben gleichzeitig ein höchst komfortables war.
Engster Vertrauter des Liberius von Ravenna zu sein half bei alledem. Als der Bote aus Mailand sich demutsvoll zurückgezogen hatte und der alte Erzbischof die Nachricht des Ambrosius mit sichtlicher Verwirrung kontemplierte, wartete Petronius nur darauf, um Rat gefragt zu werden. Liberius war alt, noch kein Greis, aber es fehlte nicht mehr allzu viel. Er war ohne Zweifel ein frommer Mann von standfestem Glauben, auch wenn er, so die geheime Ansicht seines Ratgebers, gegenüber der Häresie der Arianer eine allzu große Milde an den Tag legte, eine Milde, die Petronius mit dem fortgeschrittenen Alter des Erzbischofs zu erklären trachtete. Darüber hinaus war Liberius in weltlichen Dingen … nun, das Wort, das Petronius hier bevorzugte, war »hilflos«, um nicht deutlichere zu verwenden. Liberius liebte die Stunde des frühen Gebets, er zelebrierte trotz seines Alters noch mitreißende, tiefe Gottesdienste und die Schrift kannte er wie kein anderer. Er war gebildet, beherrschte neben dem Griechischen auch das Hebräische fließend, kannte viele der heiligen Schriften im Originaltext. Ambrosius, selbst ein Mann hoher Bildung, hatte sich oft und lange mit Liberius auseinandergesetzt und von seinen Kenntnissen gelernt, und so war eine sehr gute Beziehung zwischen den Männern entstanden. Petronius achtete die hohe Bildung seines Herrn, doch genauso wusste er, dass die Bitte des Mailänder Bischofs den alten Mann überfordern musste.
So geschah das Unausweichliche.
»Petronius, mein Freund«, ächzte Liberius und wedelte mit dem Pergament in der Luft. »Was soll ich davon halten? Der Stadtsenat hat mir versichert, dass die Fremden weder Gefahr noch Bedrohung darstellen, ja, dass sie die Meere von der Geißel eines blutrünstigen Piraten befreit haben. Ich habe gehört, man habe all dies und Weiteres dem Navarchen Renna überlassen und man wolle des Kaisers Wort zu der Angelegenheit einholen, was mir wie ein weiser Ratschluss erscheint. Warum nun dieses plötzliche Interesse meines lieben Bruders Ambrosius?«
Petronius legte einiges an schauspielerischem Talent in einen Gesichtsausdruck von tiefer Besinnung, ehe er antwortete.
»Eminenz, ich maße mir nicht an, den Gedanken und Überlegungen unseres Bruders in jedem Falle folgen zu können. Zwischen ihm und mir liegen Welten, und so sehr ich ihm auch nacheifere, so weit bin ich noch von ihm entfernt. Dennoch, wenn ich dies sagen darf: So Ambrosius besondere Aufmerksamkeit auf ein Problem verwendet, hat sich in der Vergangenheit immer gezeigt, dass er wohl und recht gehandelt hat.«
»Hm, wohl wahr, wohl wahr«, murmelte Liberius. »Aber mein Bruder hat nie seine heimliche Leidenschaft für die Politik verloren, und mir scheint, dass sie diesmal wieder mit ihm durchgeht.«
Petronius musste sich beherrschen, um die von diesem plötzlichen Geistesblitz seines Bischofs verursachte Überraschung zu verbergen. Selbstgefälligkeit gehörte seiner Meinung eigentlich ebenfalls in die Liste der Todsünden. Er gemahnte sich deshalb, den alten Mann nicht noch einmal zu unterschätzen.
»Eine gute Erkenntnis«, sagte er entsprechend devot und neigte den Kopf. »Ich denke, dass es auch in der Kirche manche geben muss, die diesen abscheulichen, aber notwendigen weltlichen Angelegenheiten zumindest bisweilen ihre Aufmerksamkeit schenken. Solange Reich und Kirche zwischen rechtem Glauben und den Häretikern des Arianismus geteilt sind, wird sich Geistliches von Weltlichem nicht trennen lassen.«
»Jaja, nun gut, mag sein«, murmelte Liberius. Er hasste es, über dieses Thema zu reden. So sehr er von der trinitarischen Lehre überzeugt war, so sehr widerstrebte es ihm gleichzeitig, der Häresie mit aller notwendigen und manchmal auch Opfer erfordernden Macht entgegenzutreten. Wahrscheinlich nahm er an, die Arianer würden irgendwann von selbst aussterben, eine Ansicht, die angesichts der Dominanz arianischer Bischöfe im Osten des Reiches kaum weiter von der Realität entfernt sein konnte. Petronius, der dem Gedanken an einen gut dosierten Einsatz von Feuer und Schwert gegen alle Feinde der Kirche –
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