Die Ankunft
hieven, wo Mechaniker sogleich mit dem Zusammenbau begannen. Hafenwachen und Beckers Infanteristen sicherten einen weiten Kreis um die Landestelle, verhielten sich aber betont passiv. Wenn die Hafenwachen auch nervös waren angesichts der Präsenz der seltsamen, fremden Soldaten, so ließen sie es sich nicht anmerken. Die Zusammenarbeit schien einigermaßen zu funktionieren.
Als es dunkel wurde, war der Lastwagen zusammengebaut und fahrbereit. Rheinberg befahl, ihn erst am kommenden Morgen zu beladen, um die wertvolle Ladung über Nacht an Bord zu behalten. Neben der Ausrüstung der Infanteristen sollte noch eine Kiste mit 10 000 Goldmark mitgenommen werden. Gold war überall etwas wert im Reich, egal, in welche Form es geprägt worden war. Rom war chronisch klamm, speziell der Westen, und es schadete nicht, ein bisschen Kleingeld dabei zu haben, wie Neumann spöttisch bemerkt hatte.
Rheinberg und Becker teilten sich die Nacht, sodass theoretisch jeder fünf Stunden Schlaf bekam. Praktisch lagen beide die meiste Zeit wach. Zu viele Dinge gab es zu bedenken, zu viele Eventualitäten zu beachten. Letztlich erkannten beide, unabhängig voneinander, dass es einfach nicht möglich war, sich jede denkbare Entwicklung im Voraus zu überlegen und sich geistig auf jede einzelne davon vorzubereiten.
Es war kein Wunder, dass alle früh wach waren. Gegen 6 Uhr morgens waren die Infanteristen abmarschbereit. Wachtmeister bellten Befehle und die Marschformation wurde eingenommen. Die Hafenwachen wie auch die frühen Beobachter der Zeremonie waren davon weder beeindruckt noch überrascht: Wenn eine Armee in Formation marschieren konnte, dann war es die römische. Rheinberg musste zugeben, dass die feldgrauen Infanteristen mit ihren Rucksäcken und den geschulterten Gewehren nicht halb so beeindruckend aussahen wie eine vergleichbare römische Formation.
Der Lastwagen war schnell beladen. Neben Vorräten und dem Gold wurden die vier MG 08 aufgeladen, eines der vier Maschinengewehre schussbereit auf dem Dach des Lastkraftwagens. Allerlei anderes Material sowie Munition vervollständigte die Ausrüstung. Becker, der die zweite Hälfte der Nacht geschlafen hatte, gesellte sich gähnend zu Rheinberg, der zusammen mit Neumann und Köhler das Marinekontingent stellen würde. Die Saarbrücken blieb unter dem Kommando des Zweiten Offiziers Joergensen zurück, würde zwei Tage verbleiben, um dann wieder in Richtung Ravenna aufzubrechen – eine weitere Maßnahme, auf der Renna bestanden hatte. Ein Segler der römischen Flotte würde in Kürze in Salano eintreffen und die Nachricht ihrer eventuellen Rückkehr nach Ravenna bringen, sobald sie sich wieder in Domitians Ruhesitz einfanden.
Falls sie hierhin zurückkehrten. Wenn alles gut ging – und es war schon seltsam, davon als etwas Gutem zu sprechen –, würde Kaiser Gratian seine neuen Verbündeten gegen die Goten ins Feld schicken. Rheinberg war recht zuversichtlich, dass sie irgendwann zur Saarbrücken zurückkommen würden. Er war sich aber nicht mehr so sicher, wie viele von ihnen.
»Setz du dich zum Fahrer, Jan«, murmelte Becker, während er zusah, wie seine Offiziere und Unteroffiziere noch einmal die Reihe der Infanteristen abliefen. »Da kannst du ein wenig einnicken. Ich werde die ersten Stunden mitmarschieren, das ist gut für die Moral. Außerdem habe ich das Gefühl, dass die Zeit auf deinem Luxusdampfer mich ein wenig hat einrosten lassen.«
»Danke«, seufzte Rheinberg und unterdrückte ein Gähnen. »Ich werde das Angebot nicht ausschlagen. Außerdem erzähle ich dir sicher nichts Neues, wenn ich dir sage, dass Marschieren nicht zum Alltag der Marine gehört.«
Becker grinste. »Ja, es ist gut, wenn jetzt mal richtiges Militär das Sagen hat.«
Rheinberg setzte sich kopfschüttelnd neben den Fahrer, einen blutjungen Gefreiten, der ihm zögerlich zunickte.
»Gefreiter …?«
»Maszcak, Herr Kapitän.«
»Gut. Ignorieren Sie mich einfach.«
Der junge Soldat sah ihn an, als könne er sich nicht genau vorstellen, wie derlei wohl zu bewerkstelligen sei, nickte aber und ließ den Motor an. Der Lastwagen erwachte krachend zum Leben. Legionäre der Hafenwache wie Zuschauer sprangen erschrocken zur Seite, als eine graublaue Abgaswolke über dem Pier schwebte.
Rheinberg hörte Beckers Befehl zum Abmarsch. Der Hauptmann hatte klar gemacht, dass er in allen Fragen von politischer und grundsätzlicher Bedeutung den Befehlen Rheinbergs zu gehorchen trachtete, hatte jedoch darum gebeten,
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