Die Ankunft
die Kontrolle.«
Er ballte seine Klauen zu einer Faust und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. Er beugte sich nach vorn, öffnete sein Maul und stieß ein Brüllen aus, das durch die Bäume hallte. Der Speichel spritzte ihm aus dem Maul und in mein Gesicht, was mich zusammenzucken ließ. Und schon sprang er mich an, landete direkt auf mir, seine Klauen gruben sich in meine Schultern und sein Körper kollidierte mit meinem. Mir blieb die Luft weg, und ich fiel rückwärts ins Gras. Dalton stand auf allen vieren über mich gebeugt und knurrte. Seine Schnauze war nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt.
Ich erwartete, dass er sich beruhigte, wenn er meinen Geruch wahrnahm. Schließlich hatten meine Pheromone tagsüber eine große Wirkung auf ihn. Jetzt war das anders. Tatsächlich war es beinahe das ganze Gegenteil – es schien so, als würde es ihn wütend machen, in meiner Nähe zu sein. Seine Augen waren zusammengekniffen, und sein Blick bohrte sich förmlich in meinen. Es war wie ein Befehl, mich nicht zu bewegen.
Ein Befehl? Mir gegenüber?
Auf keinen Fall.
Ich weiß nicht, ob ich sie auslöste oder ob die Verwandlung in einen Werwolf nach einem bestimmten Zeitschema ablief, das ich nicht bestimmen konnte. Doch die Augenblicke, in denen ich die zusammengewürfelte Emily gewesen war, waren für heute Nacht passé. Die Tagsüber-sowie die Nächtliche Emily zogen sich beide in die Tiefen meines Bewusstseins zurück. Die Wölfin übernahm die Kontrolle. Und als Dalton über mir verharrte und mir das gesamte Sichtfeld versperrte, setzte die Veränderung ein. Es geschah kurz und schmerzlos. Mein Körper hatte sich inzwischen an diese abnormen, eigentlich gar nicht möglichen Veränderungen gewöhnt, die bis hin zu meinem Skelett, meiner Muskulatur und meinem Gehirn reichten. Wer auch immer uns zu diesen Wölfen gemacht hatte, hatte Menschenverstand genug besessen, um jedweden eventuell auftretenden Schmerz zu unterdrücken. Während man das sich verformende Fleisch, das Sprießen des Fells und das Verdrehen der Knochen zwar wahrnehmen konnte, war der Vorgang an sich nicht schmerzhaft. Innerhalb weniger Sekunden wand sich mein Oberkörper und straffte sich unter meinem Rollkragenpullover. Meine Nase und mein Mund verschmolzen miteinander, teilten sich und wurden zu einer länglichen Schnauze. Meine Zähne wurden messerscharf, meine Zunge wurde dicker und länger. Meine Ohren wanderten von den Seiten meines flacher werdenden Schädels nach oben, und meine Gliedmaßen wurden länger. An meinen Händen und Füßen erschienen Klauen. Meine Schuhe zerrissen. Die Schlafanzughose und der Rollkragenpullover machten jedoch die körperlichen Veränderungen mit. Dann war ich die Wölfin. Eine Wölfin, die von einem Artgenossen niedergedrückt wurde. Einem, der mir untergeordnet war. Einem, der es nicht hätte wagen sollen, mich herauszufordern. Ich erwiderte Daltons Knurren und hielt seinem Blick stand. Ich hatte seinen Vater beim Anstarr-Wettbewerb geschlagen. Und ihm würde es genauso ergehen.
Doch er schaute nicht weg. Kein bisschen. Tatsächlich beugte er sich noch weiter herab, sodass der Abstand zwischen uns jetzt minimal war. Er hatte die Ohren flach nach hinten gelegt und forderte mich mit seinen Blicken heraus.
Herausforderung angenommen. Knurrend zog ich die Beine unter Daltons Bauch an und trat ihm mit meinen mit Klauen versehenen Füßen mit voller Wucht in die Gedärme. Nach Luft schnappend flog er von mir herunter. Eine meiner Klauen war durch sein Fell gedrungen. Aus der Wunde tropfte Blut. Ich wartete nicht, bis er sich erholt hatte. Ich stieß mich ab, wölbte den Rücken und sprang hoch, um mich zu meiner vollen Größe aufzurichten. Dabei rutschte mein Schwanz durch das Loch, dass ich in meine Hose geschnitten hatte, was mir dabei half, das Gleichgewicht zu halten. Mit gesenktem Kopf schoss ich nach vorn wie ein Footballspieler. Meine Schulter traf auf seiner Brust auf, und ich schob mich mit solcher Gewalt weiter nach vorn, dass er nach hinten stolperte, tiefer in den hinter dem Haus liegenden Garten des Werwolf-Mädchens hinein. Dalton strauchelte und fiel rückwärts zu Boden. Ich setzte zum Sprung an und landete unsanft auf seiner Brust, setzte mich rittlings auf ihn drauf und packte ihn schnell an den Handgelenken, um seine Arme nach unten auf den Rasen zu drücken. Einen kurzen Moment lang schossen mir die Erinnerungen der Nächtlichen Emily von derselben Situation mit Dr. Elliott in
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