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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nichts, was mich noch wütender macht, als ich vielleicht schon bin.«
    Griggs schüttelte seinen Griff ab und drehte sich um. Francis hatte das deutliche Gefühl, dass er noch etwas sagen wollte, stattdessen aber nur ein wenig heftig den Stuhl zurückschob, so dass er ein kleines Stück über den Boden rutschte, und dann ging. Eine bescheidene Trotzreaktion.
    Lucy ignorierte das und machte sich ein paar Notizen auf ihrem gelben Block. Auch Mr. Evans schrieb etwas in sein kleines Notizbuch, was Lucy nicht entging. »Also, er ist noch nicht ganz aus dem Schneider, nicht wahr?«, sagte Lucy. »Was schreiben Sie da?«
    Francis hielt den Mund, während Evans aufschaute. Er konnte sich einen selbstzufriedenen Gesichtsausdruck nicht ganz verkneifen. »Was
ich
schreibe?«, fragte er. »Na ja, als Erstes mal einen Vermerk, dass ich in den nächsten Tagen Griggs’ Dosis hochsetzen muss. Er schien sich über Ihre Fragen ziemlich aufzuregen und könnte sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit aggressiv verhalten, vermutlich gegenüber einem der verletzlicheren Patienten. Zum Beispiel gegenüber einer der alten Frauen. Oder vielleicht einer der Angestellten, das ist genauso wahrscheinlich. Ich muss also die Medikation kurzfristig hochsetzen und somit vermeiden, dass der Zorn sich entlädt.«
    Lucy hielt inne. »Sie werden was?«
    »Ihn für ungefähr eine Woche ruhig stellen. Vielleicht auch länger.«
    Mr. Evil zögerte, bevor er im gleichen selbstgefälligen Ton fortfuhr: »Wissen Sie, ich hätte die Sache ein bisschen für Sie abkürzen können. Sie haben zwar Recht, dass sich Griggs am Abend des Mordes geweigert hat, seine Medikamente zu nehmen. Doch diese Weigerung hat dazu geführt, dass er etwas später eine intravenöse Injektion bekommen hat. Sehen Sie die zweite Anmerkung im Krankenblatt? Ich war dafür zuständig, und ich war selbst dabei. Wenn er also sagt, er habe geschlafen, als der Mord geschah, kann ich Ihnen versichern, dass er die Wahrheit sagt. Er war sediert.«
    Wieder legte Evans eine Pause ein, bevor er fortfuhr: »Vielleicht gibt es noch andere, die Sie befragen wollen und bei denen ich mich im Vorfeld nützlich machen kann?«
    Lucy schaute frustriert auf. Francis sah, dass sie es nicht nur hasste, ihre Zeit zu vergeuden, sondern dass ihr die ganze Situation in der Anstalt zu schaffen machte. Er vermutete, dass es schwierig für sie sein musste, da sie noch nie an einem solchen Ort gewesen war.
    Er biss sich auf die Lippe und sagte nichts. In seinem Kopf drehte sich alles, und unter dem Eindruck der eben abgeschlossenen Befragung bedrängten ihn schlimme Bilder. Selbst seine Stimmen verhielten sich ruhig, da Francis, während er dem anderen Patienten zugehört hatte, allmählich über einige Dinge Klarheit gewonnen hatte. Keine Halluzinationen, keine Wahnvorstellungen, sondern Dinge über den Mann, der da sprach. Er hatte Abgründe an Wut und Hass gesehen, er hatte in den Augen des Mannes ein höhnisches Vergnügen gesehen, als er das Foto der Toten betrachtete. Zugleich aber hatte er einen Mann mit einer großen, schrecklichen Schwäche in seinem Innern gesehen. Einen Mann, der gerne
wollte
, aber selten
handelte
. Nicht der Mann, nach dem sie suchten, da Griggs’ Wut so offensichtlich war. Und in dieser Sekunde wusste Francis, dass am Engel kaum etwas offensichtlich war.
     
    Genau zu dem Zeitpunkt, als Francis in dem kleinen Büro, wo Lucy, Mr. Evil und er die Befragung durchgeführt hatten, diese Erkenntnis hatte, schlossen Peter the Fireman und Little Black ihre Durchsuchung des bescheidenen Lebensraums ab, den der Patient Griggs für sich beanspruchen durfte. Peter hatte seine gewohnte Kluft abgelegt, auf seine abgewetzte Boston-Red-Sox-Kappe verzichtet und trug stattdessen die allgegenwärtige schneeweiße Hose und passende Jacke eines Anstaltspflegers. Die Uniform war Little Blacks Idee. In der Klinik war sie bei Licht betrachtet die perfekte Tarnung; man würde zweimal hinsehen müssen, um zu merken, dass derjenige, der sie trug, in Wahrheit kein Pfleger, sondern kein anderer als Peter war. In einer Welt der Halluzinationen würden Patienten an ihrer Wahrnehmung zweifeln. Die Verkleidung gab ihm, wie er hoffte, genug Deckung, um die Arbeit erledigen zu können, die Lucy ihm aufgetragen hatte. Zugleich wusste er, dass er, wenn er von Gulp-a-pill oder Mr. Evil oder sonst jemandem, der ihn gut genug kannte, erwischt wurde, augenblicklich in eine Isolierzelle geworfen würde, während Little Black

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